Die Nacht in der Schutzhütte auf dem Rennsteig verlief ruhig und ich freute mich erneut über einige Stunden entspannten Schlaf. Der Regen tropfte gleichmäßig auf das Dach unseres Unterschlupfes, wurde mal stärker, mal schwächer und kündigte bereits an, was uns am folgenden Tag bevorstehen würde. Als wir schließlich am Morgen unsere Sachen zusammenpackten, hatte es für kurze Zeit aufgehört zu regnen und wir konnten in einen recht dunklen und bewölkten Tag starten, der klar verdeutlichte, dass wir defintiv nicht trocken in Blankenstein ankommen würden.

Teil 1: Auf nach Thüringen: Bikepacking zum Rennsteig, I

Tag 3: Auf dem Rennsteig, Teil 2

ca. 110 km; ca. 1.200 hm

Die Atmosphäre in diesem Thüringer Märchenwald auf dem Rennsteig war einfach grandios und das feuchte Wetter unterstrich diese Stimmung noch. Nicht, dass ich ein besonders großer Fan von Regentagen bin, wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin, doch die Fotokulisse war wundervoll ;-). Ich war gerüstet: Meine Schuhe waren wasserdicht, ich hatte eine Regenhose (Ich bin immer noch so glücklich, dass ich sie mitgenommen habe!) und eine Regenjacke. Es konnte losgehen.

Das ständige Auf- und Ab der Wege waren wir mittlerweile gewohnt, hinzu kam nun die Veränderung des Untergrundes. Die Schotterstraßen sogen die Nässe auf, die Schlaglöcher hatten sich mit Wasser gefüllt und beim Fahren über Asphalt spritzte die Feuchtigkeit an Fahrrad und Beine. Yeahhh, immer mitten durch! Wenn es nur nicht so kühl wäre. Aber kein Problem: Einfach rein in den nächsten Anstieg mit Schwung und schon begann ich wieder zu schwitzen! Die erste Tankstelle kam in Sicht und wir gönnten uns ein zweites kleines Frühstück und Kaffee. Hübsch, wenn auch recht menschenleer wirkten die Orte mit ihren teilweise komplett schiefergedeckten Häusern. Kein Wunder, wir befanden uns im Thüringer Schiefergebirge und das „Blaue Gold“ stammte direkt aus der Rennsteig Region.

Weiter zu fünft durch die Nässe

Ok, nass waren wir also. Irgendwie war das auch ok. Was nicht ok war, war das Auskühlen während jeder Pause. Sobald wir anhielten, um etwas zu Essen zu kaufen, wurde ich mir dieser Nässe nur allzu bewusst. Brrrr. Ich muss zugeben, dass das meine Stimmung schon etwas herunter gezogen hat. Doch zum Glück gab mir meine Begleitung immer wieder einen Grund zu lachen und genügend Ablenkung.

Wir waren nach einer dieser Pausen an der wirklich hübschen Rastmöglichkeit an der Werra-Quelle am Rennsteig auf einmal zu fünft unterwegs. Ein rüstiger Radreisender, der ebenfalls auf dem Weg nach Blankenstein war, schloss sich uns an und hatte offenbar kaum Probleme das Tempo zu halten. Offensichtlich genoss er es, nicht mehr allein weiterfahren zu müssen – sogar so sehr, dass er bereit war mit uns eher im Gelände zu fahren, als die teilweise parallel verlaufende Straße zu nutzen, was er eigentlich bevorzugt hätte.

Ja, die Pausen: An diesem Samstag machten sich die Einschränkungen, die es in der Gastronomie durch Covid-19 noch gab, deulich bemerkbar. Die meisten Cafés und Restaurants in den Dörfern am Rennsteig hatten tagsüber nicht geöffnet und so blieb uns trotz Wunsch nach einem warmen Mittag nichts weiter übrig, als doch erneut einen Supermarkt zu beehren. Während es weiter nieselte, aßen wir neben den Einkaufswagen unter dem Supermarktdach, so wie zum Beispiel auf nicht ganz halber Strecke in Neuhaus am Rennweg. Das sind wohl die nicht ganz so grandiosen Zeiten einer Reise mit dem Rad. Nicht besonders komfortabel, nicht gerade abentuerlich – aber definitiv erinnerungswürdig^^.

Von Schiefer und Regen

Ich schaffte es mit einigem Murren wieder aufs Fahrrad, bibberte dabei ordentlich und hoffte, dass bald ein Berg kam, an dem ich mich abarbeiten konnte. So weit war ich schon. Glücklicherweise war der Weg nach wie vor abwechslungsreich, und nur abschnittsweise – durch die langen Schotterstraßen – etwas gleichförmig. Der umgebende Wald und die Aussichten ins Tal machten das schnell wieder wett. Auch die Orte, durch die wir kamen, waren mitunter reizvoll. Ganz in der Nähe lagen die ehemaligen Schieferbrüche der Region und wir fuhren durch den kleinen Ort Lehesten, der für die größten, europäischen Schiefertagebaue und seine Dachdeckerkunst bekannt ist. Der Schiefer glänzte feucht durch den Regen und alles wirkte durch die dicken, dunklen Wolken noch düsterer und verlassener.

Da wir am Regen sowieso nichts ändern konnten, fanden wir uns damit ab und hofften nur auf eine Wetterbesserung. Er pausierte immer mal wieder und im Laufe des Nachmittags hörte es schließlich ganz auf zu regnen. Die letzten Kilometer durften wir halbwegs im Trockenen zurücklegen. Dabei trafen wir auch immer wieder auf zwei weitere Radreisende, die mit ihren Mountainbikes den Rennsteig befuhren. Vielleicht machten wir doch zu viele Futterpausen, denn wir überholten uns gegenseitig des Öfteren an diesem Tag. Das fühlte sich fast wie bei einem Bikepacking Event an, wo viele Leute auf der gleichen Strecke zur selben Zeit unterwegs waren.

Das Ende des Rennsteigs

Und dann war es irgendwann nicht mehr weit. Ich war ein wenig aufgeregt. Und stolz. Und glücklich. Diese vergangenen Tage auf dem Rad waren einfach zu schön gewesen, lustig, anstrengend & fordernd. Meine Beine hatten das alles wieder relativ gut weggesteckt, trotz erneuter Ungeübtheit im Bergfahren. Mein Hintern und die Füße taten nicht mehr weh. Ich war eigentlich bereit, noch einige Tage mehr auf dem Fahrrad zu verbringen. Es war ein wundervolles Fahrraderlebnis, auf das ich gern zurückschauen werde. Und immerhin hatten wir noch einen Tag vor uns. Doch erst einmal passierten wir das Ortsschild von Blankenstein, einem Grenzort zur ehemaligen innerdeutschen Grenze und unserem Ziel.

Blankenstein

Blankenstein war wenig spektakulär. Als wir in den kleinen Ort einfuhren und die lange Abfahrt runter zum Fluss genossen, begegneten wir nahezu keinem Menschen. An diesem Samstagabend überlegten wir noch, wo wir die Nacht verbringen würden und waren zunächst davon ausgegangen, dass wir uns eine Hütte unweit von Blankenstein suchen würden. Doch das war gar nicht so einfach, ohne nicht noch weitere Höhenmeter erklimmen zu müssen. Das letzte Wort war hier also noch nicht gesprochen. Langsam machte sich auch der Hunger wieder breit und irgendwie auch der Wunsch, sich kurz aufzuwärmen und richtig zu trocknen. Doch erst einmal musste noch das Pflichtprogramm absolviert werden:

  1. Mit dem Fahrrad zum Rennsteigende/ bzw. Start fahren.
  2. Den Stein aus der Werra in die Selbitz werfen (insofern der denn noch auffindbar war).
  3. Gruppenfoto machen!
crewfoto mit radfahrenden
Zielfoto

Ein Abend in Gesellschaft

Und während wir erst noch die Supermarkt-Öffnungszeiten prüften, damit wir nicht plötzlich ganz ohne Abendessen da standen und versuchten auf der Karte herauszufinden, wo sich die nächsten Hütten befanden, formte sich eine weitere Idee. Ob wir es nicht doch wagen sollten nach einem Gasthaus zu suchen? Vielleicht sogar nach einer Pension? Also mit Dusche? Je länger wir draüber nachdachten, desto reizvoller war der Gedanke. Und ehe wir uns versahen, radelten wir wieder ein paar Meter berghoch und Martin verschwand im ersten Gasthof, den wir finden konnten – und kam mit einem Zimmerangebot und der Option im Restaurant zu essen wieder heraus. Alles klar. Check. Gebucht. Die Fahrräder fanden einen Platz auf der zum Hof liegenden Terrasse und wir buchten uns in zwei Zimmer im Gasthaus Rennsteig ein. Oh, hallo Dusche, hallo warmes Abendessen, hallo Bier.

Es dauerte nicht lange und die Wärme der Gaststube und des zur Ruhe kommens, machten sich bemerkbar. Da saßen wir alle, mit hochroten, warmen Gesichtern, grinsend und höchst zufrieden mit einem Teller Essen und kalten Getränken. Der Wirt war ein absolutes Original und haute uns einen Spruch nach dem anderen um die Ohren. Auch die einzigen anderen Gäste im Restaurant, eine Gruppe Mountainbiker, amüsierten sich gut und fühlten sich von meinem Nachtisch-Eisbecher so sehr inspiriert, dass der ganze Tisch das Gleiche orderte :-D. Was für ein schöner Abschluss des Tages!

Tag 4: Von Blankenstein nach Triptis – Heimweg

Ja, es war schön in einem Bett zu schlafen, doch irgendwie waren die vorherigen Nächte so bequem gewesen, dass ich es fast ein wenig vermisst habe, nicht draußen aufzuwachen. Zumindest der Packaufwand war der gleiche geblieben: Alles wieder rein in die dreckigen Taschen und dann ran an die ziemlich schmutzigen Fahrräder geschnallt. Wobei ich zuvor noch gefühlt den halben Wald von der Satteltasche putzen musste, was ich bereits am Vorabend mit einigen Sachen begonnen hatte (inklusive dem Versuch dabei nicht den Teppich im Zimmer komplett einzusauen).

Nach einem ausgiebigen Frühstück verließen wir Blankenstein gegen 9:30 Uhr – natürlich fuhren wir dazu den Berg wieder ein Stück hinauf, den wir am Vorabend so wunderbar herab gesaust sind…

Wunderschön war der Weg, dem wir nun folgten. Grün und abwechslungsreich verlief die Strecke zunächst entlang der Saale und durch den Wald (parallel zum Bleilochstausee). Ich hatte ständig das Bedürfnis die Kamera herauszuholen, so sehr gefiel es mir hier. Das Wetter spielte bisher auch mit, die Sonne schien, der Himmel war blau – bis auf den kleinen Hagelschauer, bei dem wir kurz nach Saalburg auf einem Campingplatz Schutz suchen mussten.

Über den Oberlandradweg

Während sich der Himmel zuzog, genoss ich weiterhin die Landschaft. Wir folgten nach Saalburg dem Oberlandradweg, der sich auf ca. 14 Kilometern auf der Bahntrasse der Schleizer Kleinbahn zwischen Saalburg und Schleiz erstreckte. Die Strecke gehört zum Radfernweg Euregio Egrensis und ist durchgängig asphaltiert. Sie fuhr sich ziemlich gut und ich fand es zur Abwechlslung mal ganz angenehm über den Asphalt zu rollen und nicht ständig auf den Untergrund achten zu müssen. dafür war mehr Gelegeneheit den Blick über die hügeligen Felder schweifen zu lassen und die Greifvögel beim Gleiten zu beobachten. Es war so ein Tag, an dem ich die Regenjacke immer mal wieder an und aus zog, da es zwar meist trocken von außen war, doch die Abfahrten kühl und die Anstiege schnell zu Hitzeausbrüchen führten. Auch der Wind machte sich am Sonntag deutlicher bemerkbar.

Es war bereits Mittag und wir waren irgendwie noch nicht so weit gekommen, wie wir uns das erhofft hatten. Es war immer noch sehr bergig und Höhenmeter fraßen Zeit. Mir war das relativ egal. Ich wollte an dem Tag irgendwann noch nach Berlin zurückkommen, doch ansonsten genoss ich einfach noch die Zeit auf dem Rad. Auch wenn ich am Vorabend begonnen hatte, die Zugzeiten zu prüfen und wann und wo es für mich sinnvoll war, in die Bahn zu steigen. Am Nachmittag zeichnete sich ab, dass auch bei den anderen die Ambitionen bis nach Leipzig durchzufahren, relativ gering waren.

Unverhofft kommt oft: Dittersdorfer Milch

Irgendwie hatte keiner Lust noch einmal durchnässt zu werden und das es nochmal nass werden würde, war klar. Doch bevor wir soweit waren, in den Zug zu wechseln, brauchten wir erst einmal etwas zu essen. Auch hier war die Auswahl am Sonntag sehr mau. Wir peilten ein kleines Dorf an und hofften, dort zumindest eine Tankstelle zu finden. Während wir für ein paar Kilometer der Bundesstraße gegen den Wind folgten, war das einer der wenigen Momente dieser Bikepacking Tour, an denen ich ziemlich mies drauf. Ich bemerkte erneut, wie sehr das Fahren neben den Autos meine Laune in den Keller trieb und wollte einfach nur zurück in den Wald! Es war förmlich eine Erleichterung, als wir in das Dorf Dittersdorf abbogen und dort wirklich etwas zu essen fanden – und zwar mehr als ich erwartet habe. Dittersdorf hat nämlich ein Landgenossenschaft zu der auch eine kleine Molkerei gehört. Die Produkte werden nicht nur im Hofladen direkt vetrieben, sondern auch in der angrenzenden Tankstelle. Glücksgriff würde ich sagen! Wie sehr mich die Aussicht auf etwas zu Essen glücklich machen konnte, war immer wieder verblüffend!

Also genossen wir die frischen Produkte, bevor wir uns wieder auf die Räder schwungen und direkt in das Tief hinein fuhren. Der Himmel hatte sich so zugezogen, dass der Regen nun nicht mehr auf sich warten ließ. Das wohlbekannte Nass prasselte auf uns herab – genau dann, als es kaum eine Unterstellmöglichkeit gab. Kurzerhand machte ich einen Abstecher übers Feld, um an den Waldrand zu gelangen, der zumindest ein bisschen Trockenheit bot. Nach ein paar Minuten war der gröbste Spuk vorbei und ich traute mich wieder hervor. Gefolgt von der Sonne war so ein Guss auch gar nicht so schlimm, viel mehr liebte ich das Licht und das Glitzern der Regentropfen auf den Pflanzen so sehr, dass meine Laune nun deutlich stieg.

Der lange Weg nach Hause

Schließlich mussten wir eine Entscheidung treffen. Die letzten Kilometer durch den Wald waren wieder sehr schön gewesen, doch ich hatte noch einen langen Heimweg vor mir. Es gab keinen ICE mehr, der noch einen freien Fahrradplatz hatte und das Tuckern mit den Regionalzügen würde mich sicher 5h kosten. Also schloss ich mich Martin an, der bereits die Entscheidung getroffen hatte in der Kleinstadt Triptis (südlich von Hermsdorf, südöstlich von Jena) die Radreise zu beenden. Am Ende traten wir alle vier den Weg zum Zug an, wenn auch etwas wehmütig, dass diese Tour nun vorbei sein sollte. Wir tuckerten gegen 14.30 Uhr die knapp 1,5 h mit dem Regionalzug weiter bis Leipzig, wo die anderen bereits am Ziel angekommen waren. Vor mir lag nun noch eine kleine Heimreiseodysee in zum Teil verspäteteten Regionalzügen, um schließlich am Abend gegen 21 Uhr endlich zu Hause anzukommen. Ein weiteres Abenteuer mit dem Gravelbike war zu Ende, eine weitere tolle Erfahrung mit tollen Menschen, toller Natur und trotz Regen, eine wundervolle Reise!

Fazit:

Und das war sie, unsere Himmelfahrtsreise zum, über den und weg vom Rennsteig:

  • vier Tage auf dem Rad, zwei Nächte in der Natur (1x unter freien Himmel, 1x in der Schtzhütte), eine in der Pension
  • knapp 350 km
  • ca. 4.800 hm
  • keine Platten, ein verrutschtes Hinterrad & ein paar abgesprungene Ketten
  • Sonne, Wärme, Regen, Kälte, Wind – von allem etwas dabei
  • viel Schotter, Single Trails, Wald- und Forstwege, Asphalt, Wiesenpfade, wunderschöne Wälder, einige Flüsse, wenige Seen, Rapsfelder und tolle Aussichten

Fazit Rennsteig: Empfehlenswert. Sehr. Aber nur mit Berggängen und breiten Reifen ;-).

Hier findet ihr noch weitere Rennsteig- Fahrradreiseberichte:

Rolling Rennsteig – Mit den Stones im Thüringer Wald

MTB-Tour auf dem Rennsteig

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1 Comment

  1. Hallo Radlmädchen, vielen Dank für deinen tollen Bericht zum Rennsteig. Er war sehr hilfreich und toll beschrieben. Sitze gerade im Zug auf der Heimreise meiner Rennsteig Tour. Es waren 3 tolle Tage. Viele deiner beschriebenen Eindrücke konnte ich nachvollziehen. Leider hat der Klimawandel viel vom schönen Thüringerwald zerstört. Ich war sehr erschüttert als ich an den ganzen kahlen Hängen vorbeigekommen bin.
    Liebe Grüße von Radlursel

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