To race or not to race? Das ist hier ganz klar nicht die Frage ;-). Während ich bei dem Wort Rennen erst einmal die Ohren anlege und denke: „Ok, ich bin raus“, so spitzen sich die selbigen sofort wieder, wenn der Begriff Gravel mit hinzugefügt wird. Ich bin mir sicher, einige von euch haben bereits von Orbit 360 etwas gehört – ein Rennformat, welches keines sein muss. 16 deutsche Bundesländer, 16 Gravel-Routen, ein Solo-Rennen – oder eben nicht. Wer möchte kann dieses von Raphael Albrecht und Bengt Stiller iniziierte Format als Rennen fahren und mit jeder absolvierten Route Punkte sammeln, um ganz oben auf der Renn-Rangliste zu landen. Wer keine Lust hat ein Rennen zu fahren auf 200 km plus Routen, die größtenteils abseits asphaltierter Straßen verlaufen, der lässt es eben sein und erkundet die abwechslungsreichen Strecken mit etwas mehr Zeit. Und hier komme ich ;-).

Denn das tolle an der Orbit 360 Serie ist eben, dass jeder oder jede diese Strecken fahren und ausprobieren kann, auch ohne Wettbewerbsambitionen. Allein, in Gesellschaft, als Rennen in one go oder entspannter als Overnighter, die Orbit-Serie bietet all das in einem Rahmen von Streckenlängen um die 200 bis 300 km und mit unterschiedlichen Höhenmetern! Und das ist wirklich ein ziemlicher großartiger Ansatz! Die Routen sind alle öffentlich auf komoot verfügbar. Gescoutet wurden sie von vielen verschiedenen Personen in ganz Deutschland und sind unterschiedlich anspruchsvoll. Wer das Team unterstützen will, abseits vom Rennmodus, kann außerdem spenden und somit die ganze Arbeit, die darin steckt etwas honorieren. Mehr zur Orbit 360 – Serie gibt es auch im Podcast von Johanna Jahnke: „Die Wundersame Fahrradwelt„, die mit mehreren Episoden das „Renn“-Geschehen verfolgen. So, aber nun zu meiner ersten Orbit 360 -Erfahrung. Es ging, wie nahe liegend, nach Brandenburg…

Die Ausrüstung

(Werbung, da Markennennung)

Fahrrad: 8bar MITTE Steel v2

Satteltasche: Ortlieb Seat Pack, Gr. L mit Biwaksack, Schlafsack, Kosmetiktasche, Mückenspray

Rahmentasche: Framepack Toptube von Ortlieb mit Werkzeug, Sonnencreme, Powerbank, Riegel, Pumpe und anderem Kleinkram

Stembags: selfmade, Kamera Sony Alpha 6000 mit Kitobjektiv (leider keine gute Wahl, aber klein), weitere Trinkflasche und Snacks, sowie Taschentücher

Sonstiges: zwei Fidlock-Flaschen, ein Wahoo Roam Navigationsgerät, Busch & Müller Ixon Space Lampe, GoPro Hero8 Black, Kleinkram

Fahrrad im Wald
Wieder mit dabei & perfekt für den Brandenburger Sand: Das 8bar MITTE Steel.

309 km, ca. 1.400 hm & der waldig, nasse Sandkasten vor den Toren Berlins

Wie bereits im Titel veraten, ich bin nicht den kompletten Brandenburg-Orbit gefahren. Geplant war es, die 309 km des Brandenburg-Orbits in 2 Tagen zu abzuradeln. Aber alles konnte und nichts musste. Mitte Juli 2020 schien die Sonne lang, die Tage waren sehr warm und die Mücken gierig. Ich spürte meinen Körper und die Temperaturen deutlich und hatte auch einfach keine Lust auf Stress. Warum auch? Brandenburg ist schön und ich wusste, dass die Strecke sehr abwechslungsreich und landschaftlich sehr schön sein würde, denn Teile davon war ich zuvor bereits auf meinen eigenen Ausflügen gefahren. Knapp 163 km sind es schließlich in 1,5 Tagen geworden.

Zum Glück war ich auch nicht allein unterwegs. Die Leipzig-Connection war am Start, so dass wir zu fünft unterwegs waren. Wir trafen uns am Samstagmorgen in Beelitz Heilstätten, wo die Leipziger fast zur gleichen Zeit wie ich mit dem Zug ankamen. Es konnte losgehen. Also fast. Mein Hinterrad bzw. die Schrauben an den Ausfallenden führten ein Eigenleben und so musste erstmal dafür eine Lösung gefunden werden, damit es nicht weiter an den Streben rieb. Das war dann auf Dauer doch etwas unangenehm – für Lack und Reifen. Doch dank freundlicher Unterstützung 😉 konnte es dann endlich losgehen! Noch lag der Nebel in der Luft und die Sonne musste sich durch Wolken und Dunst kämpfen. Ich liebe diese Morgen-Atmosphäre einfach so sehr. Sie hat etwas ganz Eigenes, Märchenhaftes.

Die Vielfalt Brandenburgs

Auf jeden Fall hatte ich richtig Bock aufs Radfahren. Ab ging es in den Wald und durch die landestypischen Kiefernwälder. Einen „Berg“ stand auch auf dem Tagesprogramm (ein paar Höhenmeter hat auch Brandenburg zu bieten) und wir haben die Räder den Ravensberg schließlich hoch geschoben und oben zwischen den Bäumen den Ausblick genoßen. Weiter führte die Route durch Postdam und hinein in die sandigen Weiten der Döberitzer Heide im Westen von Berlin. Ich finde es immer wieder faszinierend wie viel Naturvielfalt vor den Toren der Hauptstadt zu finden ist: Die Döberitzer Heide, das traumhafte Brisetal und der kristallklare Liebnitzsee im Norden. Am ersten Tag saßen wir 06:53 h auf dem Rad und haben ca. 118 km zurückgelegt.

Die Strecke des Orbit 360 Brandenburg war fast immer fahrbar, mal fordernder, mal richtig flowig. Ein paar Überraschungen hatte sie auch zu bieten: So wie den kurzen Trail parallel zur Autobahn. Es wäre auf jeden Fall viel zu schade, da einfach nur durch zu ballern. So gönnten wir uns eine gemütliche Pause in der Bäckerei nach Postdam, Mittag gab es im Restaurant Biergarten irgendwo im Norden von Berlin und der letzte Futterstop war dann beim Supermarkt kurz vorm Liepnitzsee (in dem wir uns auch noch kurz erfrischten). Dort in der Nähe suchten wir schließlich auch nach einer Schlafmöglichkeit – und das Mückengrauen nahm seinen Lauf…

Mücken überall

Brandenburg ist bekanntlich auch sehr wasser- bzw. seenreich und leider haben Mücken im Juli scheinbar Hochkonjunktur dort. Wir konnten kaum einen Moment im Wald stehen bleiben, ohne angefallen zu werden. Als wir unsere Nachtlager schließlich aufschlugen, hatte ich keinen ruhigen Moment. Kein Mückenmittel schien zu helfen, die Biester waren einfach überall. Es war eine der Nächte, wo ich statt Biwaksack, ein Zelt schmerzlich vermisst habe. Also verzog ich mich zum Schlafen komplett in den Biwak, hielt ihn mit den Händen zu und schwitzte lieber, als mich noch mehr zerstechen zu lassen. Doch am Ende half alles nichts…Fast 60 Stiche brachte ich am Sonntagnachmittag mit nach Hause. Es war eine schlaflose Nacht, auch wenn es ein wirklich schönes Fleckchen Wald zum Schlafen war.

Der Morgen danach und ein kurzer Tag auf der Orbit 360 – Brandenburg Strecke

Ich habe sehr wenig geschlafen und fühlte mich bescheiden am nächsten Morgen. Gegen 5 Uhr war die Nacht für mich vorbei. Das Positive daran, die Sonne würde erst aufgehen und ich beobachtete, wie sie orange-rot zwischen den Bäumen empor stieg. Am zweiten Tag waren wir noch etwas gemächlicher unterwegs: Nur knapp 44,2 km sind wir in knapp 3 h geradelt. Ich hatten einen Hänger, zu wenig Schlaf von der Nacht mit den Mücken und Stiche am ganzen Körper. Hinzu kam die Wärme, die mich bereits nach den ersten Kilometern doch sehr belastetet (mimimimi). Zwischen dem Liepnitzsee bzw. Biesenthal bis nach Osten zum Gamengrund gab es nicht viele Verpflegungsmöglichkeiten. So waren wir sehr erfreut als wir im beschaulichen Rüdnitz eine Dorfkneipe entdeckten, in der es sogar frische Brötchen und Croissants gab! Den Kaffeestopp und das Pläuschchen mit den einmaligen Wirt ließen wir uns natürlich nicht entgehen.

Danach verlief der Weg zwischen Kornfeldern und teilweise auf Plattenwegen. Die Sonne ballerte bereits am Vormittag auf uns herab und ich konnte den vor uns liegenden Wald kaum erwarten. Bei Tiefensee wirkt dieser wie ein Urwald und superschöne Trails und Pfade machen die Fahrt dort zu einem großen Spaß – also mit breiten Reifen und Sanderprobtheit auf jeden Fall. Schließlich hangelten wir uns über schmale Pfade und Wurzeln, vorbei an zahlreichen Badestellen von See-Trail zu See-Trail weiter bis nach Strausberg. Bis dahin hatten wir kaum Menschen getroffen. Doch rund um die Seen im Südosten von Berlin war am Sonntagmittag im Sommer viel Betrieb. Es war Badewetter. Wir suchten allerdings lieber nach einem Biergarten und etwas zu Essen, bevor wir schließlich in den Zug wechselten. Es war früher Nachmittag und die Leipziger Crew musste auch noch wieder zurück nach Hause. Ich wollte nur duschen und Wunden lecken. Doch die Pizza ließ ich mir natürlich nicht entgehen^^.

Es lohnt sich!

Ich hoffe, das klingt jetzt nicht allzu negativ, denn die Strecke ist wirklich großartig und lohnt sich auf jeden Fall, egal in welchem Modus man sie fahren möchte. Ich hatte definitiv eine tolle Zeit, mit tollen Menschen und werde den Orbit Brandenburg sicherlich auch noch einmal abschließen und den südlichen Teil der Strecke erkunden. Danke Raphael für das Scouten dieser Route! Sie kann überall begonnen und an vielen Punkten unterbrochen werden – auch Dank der Nähe zu verschiedenen Bahnhöfen an der Strecke. Ich habe einiges gefilmt, aber es dauert wohl noch ein wenig, bis ich es schaffe, da etwas zusammen zu schneiden 🙂 (Danke Matthias für das Schiebe-Bild^^).

Und denkt an ein ordentliches Mückenmittel bzw. ein Netz, falls ihr draußen schlafen wollt! 😉

Seid ihr schon auf einem Orbit unterwegs gewesen? Fahrt ihr eher entspannt oder im Rennmodus?

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1 Comment

  1. Wirklich schön zu lesender Bericht, Danke! Beim Hamburger Orbit habe ich auch ein paar negative punkte über die ich berichten möchte 🙂
    Was die Kamera aber angeht: ich würde gerade beim Radfahren Micro 4/3 empfehlen, da das das beste Format für kompakte Kameras ist. Sehr klein aber genauso gute Bilder wie jede Sony Vollformat Kamera. Was viele nicht wissen ist, dass die Größe des Sensors nur bei sehr schlechtem Licht wichtig ist. Und kaum auf die Qualität geht. Aber die objektive schrumpfen auf ein sehr kompaktes Maß 🙂

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