Auch, wenn sich London mittlerweile recht vertraut anfühlt für mich, Rad gefahren bin ich hier noch nie.  Als ich 2010 mein Praktikum gemacht habe, war alles noch ein wenig anders. Mein Fokus war noch nicht so deutlich auf das Radfahren ausgerichtet. Doch, wenn ich mich versuche, zu erinnern, waren damals auch nicht so viele Radfahrer wie heute in der Stadt unterwegs. Es ist ein bisschen wie in Berlin und doch ganz anders.

BWC 2016

Dieser Besuch Ende Juli/Anfang August 2016 sollte also einige Premieren mit sich bringen. Ich war primär aus einem ganz bestimmten Grund hier: Der Londoner Prudential ride fand vom 30. bis 31.07.2016 statt und mit ihm war die halbe Innenstadt abgesperrt und für Autos lahm gelegt. Im Rahmen dieses Fahrradtage mit unterschiedlichen Veranstaltungen und Rennen fand auch das Finale der Brompton World Championships und der Free Cycle statt.

Wie im Beitrag zur BWC in London bereits beschrieben,  fand meine erste Runde auf dem Rad also auf einer abgesperrten Strecke statt. Bei herrlichen Sonnenschein und dennoch etwas bewölkten Himmel, drehten Miriam und ich einige Runden durch die Innenstadt und genossen die angenehme Atmosphäre. Selten kommen wohl so viele Generationen Radfahrer gleichzeitig auf der Straße zusammen – von ganz jung bis alt.

Fahrradverleih

Es gibt einige Möglichkeiten in London an ein Fahrrad zu kommen, wenn man für ein paar Tage in der Stadt ist. Nicht nur zahlreiche Fahrradläden bieten eine Verleih an.

Santander Cycles

Das einfachste und populärste sind die Santander Fahrräder: In der ganzen Stadt an hunderten Stationen bekommt man von Santander Cycles gegen Anmeldung und Gebühr Fahrräder. Praktisch ist, dass es die Räder wirklich überall gibt und man sie auch demnach überall zurück geben kann. Ganz so günstig finde ich es allerdings nicht. Das System ist eher auf kurze Strecken ausgelegt, da man die ersten 30 Minuten gratis bekommt. Wer länger am Stück leihen möchte, zahlt auch. Nach 24 h muss das Rad spätestens zurück gegeben bzw. ein neues ausgeliehen werden.

Mieten
Fahrradzugang für 24 Stunden£2
Fahren
Erste 30 Minuten jeder ReiseFree
Alle weiteren 30 Minuten oder weniger£2
Brompton Bike Hire – Brompton Dock

Da das Wochenende für mich ganz unter dem Zeichen von Brompton stand, habe ich mich auch umgeschaut, was die englische Faltradmanufaktur sonst noch so zu bieten hat. Das Brompton Bike Hire System ist eine super Möglichkeit in London an ein Fahrrad für eine begrenzte Zeit zu kommen. Günstig ist es auch noch. Die Registrierung erfolgt online auf der Internetseite oder per App u.a. mit der E-Mailadresse und der Telefonnummer. Über die App kann man das Faltrad dann auch ausleihen oder zurückgeben, einen Platz im Dock bzw. ein Brompton reservieren. Klingt großartig, wenn die Registrierung funktioniert. Ich habe das vorab über die Website gemacht. Man kann wählen zwischen häufiger und gelegentlicher Nutzung und zahlt einen kleinen Jahresbeitrag und hat dafür höhere Leihkosten (die sich immer noch in Grenzen halten) oder einen höheren Jahresbeitrag und zahlt für das Ausleihen weniger. Das ist ein tolles System, da so jeder ein Brompton und die Vorzüge dieses Faltrades nutzen kann.

Nutzung
Jahresgebühr
Tagesgebühr
häufig
gelegentlich
£20£2.50
£1£5

Soweit so gut. Nachdem ich den Jahresbeitrag gleich bei der Registrierung per Kreditkarte zahlen konnte, wartete ich auf eine Bestätigungsmail, die nicht kam. Also Spamordner durchsucht. Auch nichts. Ich wand mich an den Support, der mir auch am gleichen Tag per Mail antwortete, dass ich den Startbetrag von 10 £ noch überweisen müsse, damit mein Account aktiviert werden kann. Moment! Überweisen?  Ins Ausland! Eine erneute Mail meinerseits wurde leider nicht mehr beantwortet und ich fand auch keine Möglichkeit auf das angelegte Konto zuzugreifen ohne diese Bestätigungmail. Einfach anmelden ging nicht. Da kam es mir doch recht, dass ich beim BWC jemanden direkt vom Brompton Bike Hire System ansprechen konnte. Die Anwesenden waren super nett. So kam ich dann auch zu meinem Brompton für diesen Tag. Der Hinweis war außerdem, einfach die Supporthotline anzurufen, um alles zu klären. Das mache ich dann beim nächsten Mal ;-).

#mybrompton for the day. #bwc2016 #london #Bromptonworldchampionchip #foldingbike #Fahrrad #brompton

Ein von Radelmädchen (@radelmaedchen) gepostetes Foto am


Dieses Mal durfte ich bei lieben Freunden von Miri ein Dahon Bike leihen und kam somit zu einer weiteren Testfahrt mit einem Faltrad, das ich vorher noch nicht ausprobiert hatte. Vieeeeeelen Dank noch einmal dafür!

Londons Straßen

Londons Innenstadt ist voll mit Autos, Taxis und vor allem Bussen. Dabei haben es sich die ansässigen Radfahrer gefährlicherweise angewöhnt auch sehr eng zwischen diesen vorbei zu radeln. Oft gibt es sonst nämlich ohne langes Warten kein Durchkommen mehr. Mich hat dies jedoch etwas schockiert und die ständige Gefahr, zwischen zwei hohen Doppelstockbussen einfach zu verschwinden, war mir doch etwas zu groß. Besonders zu Stoßzeiten und auf den großen Hauptstraßen tagsüber, fühlt man sich auf den schmalen Fahrrad- „Schutz“ –  Streifen nicht sonderlich sicher und wohl. Teilweise sind die auch tatsächlich einfach nur ein Witz mit einer geschätzten Breite von maximal 70 cm. Auch die Straßenqualität lässt teilweise stark zu wünschen übrig.

Old Street - zum Feierabend gefüllt mit Radfahrern
Old Street – zum Feierabend gefüllt mit Radfahrern

Besonders in Erinnerung blieb mir aber der Montagabend. Wir fuhren zurück von einem ereignisreichen Tag und Abend im „look mum, no hands“ in der Old Street einmal durch die halbe Stadt gen Westen. Ca. 13 km durch die Nacht bei Nieselregen, der immer stärker wurde. Der Vorteil: Abends sind die großen Straßen tendenziell leerer. Der Nachteil: Die großen Parks, wie der Hyde Park und Kensington Gardens haben geschlossen, sobald es dunkel wird. Die Radrouten dort hindurch sind somit nicht zugänglich. Für uns hieß das, der schnellste Weg führte durch die Oxford Street und weitere große, normalerweise stark befahrene Straßen.

Schon einmal vorab: Never again Oxford Street! Nicht nur der Regen und die Dunkelheit machten die Fahrt dort zum Risiko. Die hohe Frequenz an Bussen und Taxis in einer der Haupteinkaufsstraßen mit sehr langen Öffnungszeiten machen eine Radtour dort hindurch zum Nervenkitzel und Abenteuer. Mehr als einmal habe ich angehalten, um einen Pulk Doppelstockbusse passieren zu lassen, die nicht sonderlich zimperlich nicht nur andere Busse, sondern auch Radler eng überholten.

Die Londoner und ihre Parks

Eine Radroute führt durch die Kensington Gardens, wo die Royal Family residiert, und geht in den Hyde Park über, wo der Buckingham Palace angrenzt. Dabei ist zu beachten, dass zahlreiche Hinweisschilder deutlich machen, das nur Schritttempo erlaubt sei und man doch als Radfahrer langsam machen und lieber den Park genießen solle.

Die Wege, auf denen man radeln darf, sind deutlich gekennzeichnet. Eingearbeitete Pflastersteine sollen regulierend auf die Geschwindigkeit wirken. Denn dort hinüber radelnd, ruckelt es doch schon ordentlich. Findige Londoner nutzen aber schon länger einfach den Weg über die Wiese daneben, wie an dem breit gefahrenen Pfaden zu erkennen ist.

Pflastersteine zur Geschwindigkeitsminderung
Pflastersteine zur Geschwindigkeitsminderung und mein Wochenends-Dahon

Noch besser sind die Parks, in denen man gar nicht radeln darf und hohe Bußgelder angedroht werden, falls man dabei erwischt wird. Man muss demnach sehr gut aufpassen in dieser Stadt, wenn man als Radfahrer auch ein wenig frische Luft in den grünen Zonen genießen möchte.

That’s also London: „No cycling! Push your cycle through the park! You could be fined.“ #londoncycling #londonlife #London #foldingbike #brompton #fiete #hamburgfiets #dahonbikes #dahon #fahrrad #bicycle #bicyclelove #hollandpark

Ein von Radelmädchen (@radelmaedchen) gepostetes Foto am

Es gibt aber auch markierte, breitere Radstreifen und Kreuzungen, auf denen der Streifen deutlich hervorgehoben ist. Auf dem neuen Londoner Supercycleway sind wir kurz beim Free Cycle gefahren. Die Ost-West Verbindung hat nur eine begrenzte Länge und verläuft parallel zur Themse und direkt an der Hauptstraße lang. Eine breite Abgrenzung von dieser ermöglichen entspanntes Radfahren – ohne Angst vor Bussen, Taxis oder schnellen Autofahrern.

London fährt links

Als Fußgänger muss man sich erst einmal an den Linksverkehr gewöhnen. An jeder Kreuzung, Straße oder Ampel schaute ich doppelt, bevor ich sie überquerte. Auf dem Rad sitzend, fühlt sich das Ganze noch seltsamer an. An das links fahren habe ich mich schnell gewöhnt. Ich fand nur das Halten an den Ampeln umständlicher, da ich normalerweise links vom Rad stehe oder rechts meinen Fuß auf die Bordsteinkante setze beim Warten, um mich dann dort abzustoßen. Auch das vorbei rollen an wartenden Autos mit Abstoßen vom Boden geschieht bei mir sonst mit dem rechten Bein. Hier war nun alles anders herum. Ich muss demnach meine linke Seite etwas trainieren ;-). Das Abbiegen nach links verläuft problemlos. Nach rechts habe ich mich unsicher gefühlt, dabei ist es im Prinzip nichts anderes, als würde man in Deutschland links abbiegen wollen.

Selbst in den wenigen Tagen auf dem Rad in England merkte ich jedoch, dass ich mich gut darauf einstellen kann und das alles gar nicht so schlimm ist, wie ich mir das vorher ausgemalt habe. Es gibt sogar kleine Fahrradstraßen und spezielle Übergänge – wenn auch selten.

Man muss etwas aufmerksamer sein, noch mehr, als sowieso schon auf einer stark befahrenen Straße. Erschwerend kommen die größeren Busse hinzu, die deutlich die Sicht einschränken und in hohem Takt fahren. Die schmalen Radstreifen auf der Straße kann man getrost vergessen. Hier sollte man darauf achten, deutlich seinen Platz einzufordern, um nicht über die Bürgersteigkante gedrängt zu werden. In London lohnt es sich auf jeden Fall nach alternativen Wegen zu schauen, die parallel zur Hauptstraße oder mit kleinem Umweg verlaufen, als die geplante schnelle Route. Man wird mit deutlich entspannterem Fahren belohnt und sieht so viele der ruhigen, schönen Straßen und Ecken der Stadt.

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3 Comments

  1. Pingback: Lieblingsblogs Folge 31 - Coffee & Chainrings - über Mountainbike, Rennrad und Ultracycling

  2. Hey, da hat sich ja einiges getan, seit ich zuletzt mit dem rad in London war. Das war mit meinem Sohn 2005, wenige Tage nach den Anschlägen, und die Stadt war davon überschattet. Wir starteten von London unsere Radtour Richtung Cornwall. Das habe ich als eher stressig empfinden, zumal ich mit einem Kind unterwegs war. Zum Glück tut sich jetzt auch in Metropole wie London etwas.
    Einen wirklichen schönen Blog hast Du.

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