Ende August 2017 war es wieder soweit: Die Eurobike 2017, die größte Fahrrad-Leitmesse der Welt lockte an drei Fachbesuchertagen und einem öffentlichen Festival Day zehntausende Menschen nach Friedrichshafen an den Bodensee.
Meine standesgemäße Anreise erfolgte mit dem Brompton von Koblenz aus, von wo ich auf dem Rheinradweg eine Woche lang zur Messe radelte. Nach ca. 650 km praller Sonne bei teilweise über 30°C erreichte ich am Mittwochabend den Bodensee, um am Donnerstagmorgen gleich meinen Weg zur Messe beschreiten zu können.
Es war ein umfangreiches, riesiges Event, bei dem ich mir vorab schon eine Liste mit zu besuchenden Ausstellern machen musste. Andernfalls geht man auf dem großen Messegelände einfach verloren, überwältigt von den unzähligen Eindrücken. Ich habe nur einen Bruchteil der Aussteller näher betrachten können. Das lag zum einem natürlich an der großen Anzahl, zum anderen auch daran, dass ich nach meiner Radtour und den intensiven Wochen zuvor etwas ausgepowert war. Nichtsdestotrotz habe ich so einige tolle Begegnungen und Entdeckungen gehabt, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
The Wriders‘ Club und die Blogger Base
Bevor ich jedoch allein über die Messe stromern sollte, führte mich mein erster Gang am Donnerstagmorgen direkt ins Foyer Ost, wo es erstmalig die Eurobike Blogger Base geben sollte! Es war ein Bereich direkt neben der Showbühne, der für akkreditierte Fahrradblogger vorgesehen war. Dort starteten die Rundgänge, fanden Treffen statt und war die Möglichkeit geboten, sich einfach mal kurz hinzusetzen und auszuruhen. Für mich wurde die Blogger Base schnell der Ausgangspunkt für meine Messestreifzüge und war außerdem ein toller Ort, um sich mit anderen Bloggern auszutauschen. Nachdem „The Wriders‘ Club“ im Vorjahr ins Leben gerufen wurde, war diese Base der nächste Schritt, um aktive Fahrradblogger zu vernetzen. Vielen, vielen Dank an Mirjam und alle anderen von der Eurobike, sowie an Gunnar, die das umgesetzt haben!
Die Eurobike 2017 strotzte nur so von Neuheiten im Bereich Pedelec und E-Bikes. Es war alles dabei: Vom schicken Stadtflitzer, E-Mountainbike oder Lastenrad bis zum kleinen E-Faltrad. Wie immer habe ich jedoch einen starken urbanen Fokus gesetzt und mich auf die modische Seite der Fahrradwelt und auf Zubehör konzentriert. Einige Fahrrad-Highlights sind mir dabei natürlich auch begegnet und auch ein paar außergewöhnliche Entwicklungen.
Fahren, Transportieren, Falten
Brompton-Highlights
Mein Weg führte mich nach dem ersten Blogger-Rundgang direkt erstmal zu Brompton. Welch Überraschung ;-)! Es dauerte daher auch nur Sekundenbruchteile bis ich das neueste Faltschätzchen aus Großbritannien entdeckt habe. Nicht das Brompton Electric, dass ich in London bereits probefahren durfte, faszinierte mich, sondern die neue Raw Lacquer Farbgebung! Es gab nicht nur die dunklere, mehr ins grau gehende Klarlackierung zu bestaunen, sondern auch eine neue Black Edition. Black Lacquer wird es also bald geben. Fast alle Anbauteile des Faltrades sind Schwarz und der Rahmen kommt im edlen Raw Lacquer. Ein wahrer Hingucker!
Außerdem habe ich neue Taschenklappen für die S-Bag entdeckt. Eine Version gibt es zum Beispiel mit reflektierendem Print mit Brommielenker-Detail.
Cargobike im Fahrstuhlformat: Das Ternbicycles GSD
„Compact Utility“ ist die Kategorie, in die der vor allem für Falträder bekannte Hersteller Tern sein neues multifunktionales Transportrad einordnet.
„Das GSD transportiert zwei Kinder sowie den kompletten Wocheneinkauf, trägt 180 kg und ist nicht mal 180 cm lang – und damit kürzer als ein Hollandrad.“
(Aus der Pressemittleilung vom 02.08.17 von ternbicycles.com)
Ein Bosch Performance Mittelmotor sorgt für Power und unterstützt als Pedelec bis 25km/h. Bis zu zwei Akkus hinterm Sattelrohr bringen enorme Reichweite, womit 250 km je nach Ausstattung und Umweltverhältnissen maximal möglich sein sollen. Der integrierte Heck-Gepäckträger mit 80 cm Länge gehört zur Standardausstattung, genauso wie die Straßenausrüstung mit Licht und Schutzblechen. Das GSD ist ein individuell anpassbares Pedelec, dass entweder als Packesel, Mitfahrgelegenheit oder Kindertransporter genutzt werden kann. Der Kunde kann sich sein Rad ganz nach seinen Wünschen anpassen und aufrüsten.
Mein erster Versuch das GSD mit menschlicher Last zu fahren, verlief nicht ganz so optimal, aber ich vermute, da muss ich einfach ein Gefühl für bekommen. Ohne Mitfahrer war es jedoch eine wahre Freude, das kleine Lastenrad zu lenken und ich hätte Lust, das auch mal mit Gepäck oder dem Einkauf auszuprobieren.
Falten muss es auch
Natürlich muss ein Fahrradproduzent, der vor allem mit Falträdern erfolgreich ist, auch bei einem Lastenrad seinem Ruf gerecht werden. Ganz falten lässt sich das GSD leider nicht, dafür aber der Lenker praktischerweise einklappen, was eine große Platzersparnis bedeutet. Dadurch wird das Tern GSD noch mobiler und passt zum Beispiel sogar in einen Fahrstuhl. Man kann es nämlich dank speziellem Heck einfach hochkant stellen.
Der Basispreis für das gute Stück beträgt 3999 €. Für einen als Auto-Ersatz konzipiertes Fahrrad mit Motor, das so vielfältig genutzt werden kann, ist das zwar kein Schnäppchen, kann aber für einige Stadtbewohner eine sinnvolle Investition sein und völlig neue Perspektiven der urbanen Mobilität wecken.
Von Bambus, Leder und Birkenrinde
Weiter ging es dann zu den alten Bekannten von den MyBoo Bambusfahrrädern. Dort gab es ganz neu ein Bambusfahrrad mit Riemen statt Kette.
„Die Gates Carbon Drive Zahnriemen sind besonders wartungsfrei und langlebig. In Kombination mit schnellen Kojak Reifen, Tubus Gepäckträger und eine Alfine 8-Gang Nabenschaltung ist unser neues Modell „my Kuro Gates“ das perfekte Urbanbike – verfügbar ab Ende 2017!“
(my-boo.de)
Neu sind auch die Leder-Fahrradtaschen, die in Zusammenarbeit mit einer regionalen Sattlerei entstehen, was auch das kleine Prägelogo auf jeder einzelnen Tasche bezeugt. Es wird sie in verschiedenen Größen und für unterschiedliche Stellen am Rad geben: Gepäckträgertasche, Satteltasche, Werkzeugtasche etc.
Ich schleiche ja schon länger um die wunderschönen Birkenrindengriffe herum, die myBoo seit einer Weile mit schwarzen Kappen im Sortiment hat und, die es mir von Anfang an angetan haben. Endlich sind sie auch mit Silberkappen verfügbar: Perfekt für mein Brompton! Wie sich diese hautsympathischen Griffe aus echter Birkenrinde im Alltagseinsatz schlagen, könnt ihr demnächst im Blog lesen.
Noch mehr Räder:
Modische Highlights in der Welt der Laufräder
Auf Fahrradmessen bin ich stets auf der Suche nach modischen Neuheiten, die sich von der üblichen Sportswear abheben und dennoch auf dem Rad funktionieren. Im Jahr 2016 war ich dabei auf der Eurobike deutlich erfolgreicher als in diesem Jahr. Doch ein paar Besonderheiten habe ich auch dieses Jahr entdecken können.
Ganz besonders abgehoben, hat sich dabei ein mit dem Eurobike Award ausgezeichnetes Sakko von Lightweight. Ganz richtig, der für ultra highend Carbon-Laufräder bekannte Hersteller aus Friedrichshafen verfügt seit einer Weile auch über eine kleine Modelinie: Edelstoff ist ihr Name und der ist Programm. Denn genau wie bei ihren Rädern machen Lightweight auch im Modebereich keine halben Sachen.
Die ausgezeichnete Herrenjacke Stadtwandler trumpft mit zahlreichen, praktischen Details auf, die es dem radelnden Herren ermöglichen on and off the bike gut auszusehen. Ob stretchiger Einsatz aus recycelten Funktionsmaterial im Rückenteil und unter den Achseln oder herausnehmbarer Windschutz innen, dieses Teil ist durchdacht. Die Optik der Materialien unterstreicht den eleganten Look, die verarbeiteten Stoffe sind dabei zugleich höchst funktional. Wasserabweisender Tiroler Loden mit weichem Kaschmir trifft auf GOTS zertifizierte Bio-Baumwolle als Futter. Die Hochwertigkeit des Sakkos spiegelt sich auch im Preis wieder. 599 € soll das gute Stück kosten.
Wer sich diese Jacke gönnt, bekommt dafür ein langlebiges Produkt, das nachhaltig produziert wurde, perfekt sitzt und nicht nur auf dem Fahrrad eine gute Figur macht. Ich muss zugeben, ich war begeistert davon und Boxbike Patrick hat gleich den Praxistest gemacht.
Noch mehr Taschen und Accessoires
Ortlieb
Die Taschenspezialisten von Ortlieb haben nicht nur jedes Jahr einen visuell sehr ansprechend gestalteten Stand, sondern auch in ihrem Feld Fahrradtaschen immer wieder etwas Neues zu bieten. Besonders das Konzept der Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Das wird nicht nur durch die Auswahl der Materialien bestimmt, sondern auch von der Wahl des Produktionsstandortes und der Langlebigkeit eines Produktes. Made in Germany heißt es daher seit 1982 und falls die Tasche doch mal einen Defekt hat, bietet Ortlieb einen Reparaturservice an.
Für die kommende Saison 2018 wird es eine PVC-freie Taschenkollektion geben, die in der Robustheit mit den alten Taschen mithalten soll. Die „Free“-Linie kommt außerdem in neuen, frischen Farben. Ebenso überzeugte mich die neue Urban Line mit ihrer Optik und vor allem der textilen Haptik.
Carradice
Seit 1932 werden die waxed Cotton Taschen von Carradice in England gefertigt. Bekannt für ihre langlebigen Satteltaschen sind sie noch heute. Die Farbauswahl ist relativ klein und bis auf ein paar Sondereditionen eher zurückhaltend. Umso mehr habe ich mich gefreut, das neue Bordeauxrot zu entdecken, dass im Taschenformat nicht nur als Satteltasche, sondern auch in Form eines neuen Rucksackes verfügbar sein soll. Hach, so eine bordeauxfarbene Satteltasche würde sich sicher ganz hervorragend zu meinem Brompton machen.
Maxfred und P.A.C
Natürlich habe ich nicht nur Taschen bewundert auf der Eurobike 2017, sondern auch ein paar andere Accessoires begutachtet. Besonders die Multifunktionstücher sind mir aufgefallen. Diese praktischen Schlauchtücher gibt es mittlerweile von einigen Anbietern und im Prinzip unterscheiden sie sich in der Form erst einmal so gut wie gar nicht. In Bezug auf die verwendeten Materialien und Optiken gibt es Unterschiede. Aufgefallen sind mir die hautschmeichelnden Tücher von Maxfred, die zu einem Großteil aus Bambusfasern bestehen. Diese bieten ein tolles Tragegefühl, sind nachhaltig und atmungsaktiv.
Außerdem war ich bei P.A.C. aus Schweinfurt am Stand. Dort sprach mich sofort die Vielzahl der bunten Farben und Drucke auf den Tüchern, Strümpfen und Mützen an. Die große Auswahl an qualitativ hochwertigen, funktionalen Multifunktionstüchern war das eine, das tolle aber ist auch, dass deren Produktion komplett in Deutschland stattfindet. Die verwendeten Materialen sind vielseitig und funktional, wie die Tücher aus mulesing-freier Merinowolle.
Nicht alle Innovationen auf der Eurobike lassen sich an einem festen Stand entdecken. Viele finden sich viel mehr bei Besuchern der Messe, die mit ihren Produkten herum laufen. Mit etwas Glück entdeckt man da eins, zwei Highlights :-).
Under-Cover, der Regenschirm fürs Fahrrad
Ihr habt vielleicht auch schon mal einen Regenschutz fürs Fahrrad gesehen, der wie eine Frontscheibe aussieht? Thomas aus dem schönen Freiburg arbeitet seit zwei Jahren an einem echten Regenschirm fürs Fahrrad. Regenbekleidung adé. Der Schirm lässt sich einfach am Rad befestigen, bei Bedarf abnehmen und leicht ausfalten. Ich muss zugeben, die integrierte Kapuze ist ja nicht so mein Fall, da zu eng am Kopf und ohne Schirm, aber immerhin gibt es eine. Obwohl die Form des Schirms halbwegs aerodynamisch ist, frage ich mich dennoch, wie er sich bei starken Wind verhält.
Wer keine Lust mehr auf lästige Regenkleidung hat, findet vielleicht mit diesem Fahrradschirm under-cover den perfekten Regenschutz. Momentan läuft auch noch eine Kickstarter-Kampagne, damit die Produktion endlich beginnen kann.
Wie findet ihr derartige Erfindungen? Praktisch oder eher unnötig?
Zum Abschluss noch ne Geburtstagsparty
Ich nehme viele Eindrücke und nette, inspirierende Gespräche mit von der Eurobike 2017. Auch der fast durchgehende Regen, vermochte die Stimmung nicht zu trüben.
Einen tollen Abschluss fand die Messe für mich am Freitagabend bei der Trendlounge, ausgerichtet vom Radkulturmagazin Fahrstil und der Eurobike: „200 Jahre Fahrrad – eine Velografie by Fahrstil“. Diese Ausstellung stellte alt und neu gegenüber, das damals und heute in der Entwicklung des Fahrrads. Wahnsinnig spannende Stücke waren dort zu sehen, teilweise aus privater Hand (wie Harald Legners Titanrad von Mawis aus Hamburg) oder seltene Fahrräder aus dem Fahrradmuseum in Bad Brückenau (wie ein Mochet Rad).
Hui, das war ein langer Beitrag und beschreibt trotzdem nur einen Bruchteil der Vielfalt der Eurobike 2017. Im nächsten Jahr wird es vermutlich erstmalig keinen öffentlichen Besuchertag mehr geben. Die Eurobike 2018 soll als reine Fachmesse ausgerichtet werden und findet erstmalig bereits Anfang Juli 2018, vom 08.-10.07.2018 statt.
Ich freue mich schon drauf! Ich möchte euch am Ende eines meiner liebsten Fahrräder der Messe zeigen. Danke an Mirjam für den Clip!