…Berge, Berge, Schnee und der größte Binnensee Norwegens.

Hier gibt es die Berichte Teil 01, Teil 02, Teil 04 und Teil 05 der
Norwegenradreise.

Ich habe meine Tour vorher sehr genau geplant. Auch, weil ich nicht so viel Zeit hatte und das erste Mal eine Reise dieser Art allein gemacht habe. Mithilfe von dem Buch „Norwegen per Rad“gpsies.com und der klassischen Cappelen Landkarte entstand meine Tourenroute. Ich war mehrmals froh darüber, dass ich wusste, wo der nächste Campingplatz war (natürlich zusätzlich auch Dank GPS) und eine genaue Route und einen Plan zu haben. Orte mit Zeltplätzen waren somit für mich auch immer das Tagesziel. Ich habe über das Wildcampen nachgedacht.

Jedermannsrecht

In Norwegen ist das Campen aufgrund des Jedermannsrecht (norw. Allemannsretten) mit mindestens 150 Meter Abstand zum nächsten Haus größtenteils frei erlaubt. Es ist eine günstige Möglichkeit, aber die Temperaturen nachts und die Anstrengung auf der Reise ließen mich doch immer nach einer heißen Dusche rufen ;-). Auch das Gefühl, etwas sicherer zu sein, wenn ich nicht irgendwo allein im Wald schlafe, überzeugten mich, einen der zahlreichen Plätze aufzusuchen.

Um die Jahreszeit, in der Nebensaison, haben weiterhin viele Plätze geöffnet. Dennoch musste ich z.B. hier in Sløvika am Vorabend einige Zeit und ein Telefonat einer netten Camperin abwarten, bis jemand vorbei kam, um mich einzuchecken.

27.04.2015

2. Sløvika-Kapp (Hekshusstranda Camping): ca. 72 km

Als ich am Morgen aufwachte, spürte ich die Kälte der Nacht deutlich. Mein Zelt hatte einen schattigen Platz um die Zeit des Tages und so war es noch sehr frisch darin. Als ich mich endlich traute aus dem Schlafsack und dem Zelt zu kriechen, erwartete mich draußen ein wunderschöner, blauer Himmel und so beschloss ich mein Porridge auf einer Bank direkt am Wasser in der Sonne einzunehmen.

11:45 Uhr

Ich war etwas langsam an diesem Morgen, so dass ich erst gegen Mittag bereit für den Aufbruch war. Mein Weg gen Norden führte mich mit kleinen Anstiegen weiter entlang des Randsfjorden, der der viert größte Binnensee Norwegens ist, nach Brandbu.

14:00 Uhr in Brandbu, NOR

Nach einem kleinen Einkauf im Supermarkt gönnte ich mir ordentlich Kalorien in Form von Pommes und heißer Schokolade mit Sahne (muss an der frischen Luft liegen, dieser plötzliche Appetit auf etwas Fettiges) und hielt ein nettes Pläuschchen mit der freundlichen Bedienung.

Gut gestärkt und vielleicht etwas träge stand mir nun allerdings eine nicht ganz so erfreuliche Strecke bevor. Direkt ortsauswärts auf der empfohlenen Fahrradroute ging es sehr schnell stark bergauf. Vorbei an der Schule und den Schulkindern bemühte ich mich also eine halbwegs gute Figur auf meinem schwer beladenen Fahrrad abzugeben.  Der Weg danach war an sich sehr schön und schnell sehr einsam, da die Route über den Berg führte. Gesäumt von lichter werdenden Wäldern  führte die noch befestigte Straße immer weiter hinauf.

Eine Abzweigung bedeutet auch das Ende der festen Straße auf unruhigeres, teilweise sehr matschiges und steiniges Terrain und mir schwante langsam nichts Gutes mehr. Als vermehrt Schnee am Wegesrand und teilweise auf der Straße lag, fing ich an zu grübeln. Hier gab es nicht so viele Möglichkeiten, wie am Vortag. Entweder zurück oder geradeaus weiter war die Devise.

Die Entscheidung stand fest, auch als mir letztendlich der Schnee komplett den Weg versperrte und ich nicht einmal mehr daran dachte noch einmal ein Foto von der Situation zu machen.

Durch den Schnee

Im Nachhinein weiß ich nicht, wie schlau es war, der Straße weiter zu folgen. Es war nicht ganz unriskant. Auch, wenn er größtenteils recht fest und eisig war, versank ich teilweise knöcheltief im Schnee und beglückwünschte mich mehrfach für den Kauf dieser tollen neuen Fahrrad-Trekkingschuhe, die komplett wasserdicht daher kamen. Das half natürlich nichts gegen den Schnee, der von oben hinein rutschte. Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass ich eins meiner Multitools und die Fahrradhandschuhe verloren hatte nach der letzten Pause. Umdrehen bei dieser Wegbeschaffenheit war keine Option.

So schob ich über drei Kilometer mein Rad mit allen Taschen und Gepäck einsam durch den Schnee, wobei mein Blick irgendwann immer öfter gen Himmel schweifte, der sich immer mehr zugezogen hatte im Laufe der letzten Stunde. Ich hätte mir auch etwas mit den Pedalen überlegen sollen, die ich mir mehr als einmal in die Wade rammte, sodass ich im Laufe der nächsten Tage alle Farben des Regenbogens darauf bewundern konnte.

Autsch in allen Farben!
Autsch in allen Farben!

Es ging mittlerweile immer weiter leicht begab. Abgesehen davon, dass meine Arme irgendwann völlig überanstrengt waren, erreichte ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder festere, fast schneefreie Wege. Bergab ging es auf steiniger Straße in langsam wieder bewirtschaftetes Gebiet. Nahe eines Bauernhofes verdeutlichte eine Straßensperre dann auch, dass es weiter oben momentan kein Weiterkommen gibt. Gut zu wissen!

Ca. 18:00 Uhr nahe Einafjorden

Zurück im Tal war der Himmel mittlerweile komplett dunkel und kurz darauf begann es so stark zu schneien, dass ich mich unterstellen musste, weil ich nicht mehr viel sah. Da ich wieder auf einer Hauptstraße unterwegs war, war mir auch das Risiko zu groß vielleicht selbst nicht gesehen zu werden.

Ich gebe zu, meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angekommen. Stolz, dass ich die Schneeschieberei überstanden habe, aber ziemlich kaputt und resignierend aufgrund des Wetters, wollte ich mich nur noch im Warmen und Trockenen hinlegen und schlafen. Na ja, und vorher duschen. Mir fiel auf, dass essen auch eine valide Option wäre.

Es hörte auf zu schneien und zu meinem Glück blieb auch nichts davon zurück außer eine nasse Straße. Als ich die letzten 15 km endlich geschafft hatte und den Hügel zum am Mjøsa gelegenen Campingplatz Hekshusstranda hinunter rollte, war ich einfach unglaublich erleichtert.

Was ich dort erlebte, kann ich nur mit einem Satz ausdrucken:

It really made my day!

Auf meine Frage hin, ob es hier irgendwo möglich wäre ein Zelt aufzubauen für eine Nacht, bekam ich eine gänzlich unerwartete Antwort, die die unglaublich nette Betreiberin dann auch noch einmal wiederholen musste.

So ergab es sich, dass ich ziemlich überwältigt mein Rad auf der Terrasse einer kleinen Cabin abstellte, die mein Heim für die Nacht sein sollte- für den gleichen Preis, den ich normalerweise für ein Zelt gezahlt hätte! Es lebe die Nebensaison!

Ich hatte zwei kleine Zimmer mit Couch und Betten, einen Kühlschrank, Herd und eine Heizung!!! Ganz für mich allein! Und WLAN :-).

Tusen takk @Campingplatz Hekshusstranda for your kindness and this comfortable night in your cabin!

Ich behaupte nicht, dass ich einen schlechten Tag hatte. Er war eine Herausforderung für mich, ja. Doch ich habe auch einen Tag auf dem Rad in der schönen Natur Norwegens verbracht und mich meinen eigenen Grenzen gestellt und sie überwunden. Das hat mich stolz gemacht und motiviert weiter zu fahren: Um noch mehr zu sehen, noch mehr zu erleben.

In dieser Nacht war ich dennoch einfach froh, meine Füße auf eine kleine mobile Heizung legen zu können, meine verspannte Nackenmuskulatur und die Beine auszuruhen und in einem warmen Bett schlafen zu können.

tbc.

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