Die ADFC-Sternfahrt 2017: Sonne, Sonne, Autobahn. Oder: Traumhafte Bedingungen für eine Ausfahrt mit Fahrrädern.
Unter dem Motto „Fahrradland Deutschland. Jetzt!“ fand am Sonntag, 11.06.2017 die ADFC-Sternfahrt in Berlin statt. Bei strahlend blauem Himmel und Sonne satt waren die Wetterbedingungen nahezu perfekt. Meine Tour startete dieses Jahr in Berlin-Lichtenberg. An dem dortigen Treffpunkt kam gegen 12:00 Uhr mittags bereits eine große Gruppe Radfahrer heran geradelt. Von jung bis alt, von Freizeitfahrer bis Alltagsradler waren die verschiedensten Radfahrertypen dabei. Das ein oder andere Gefährt fiel mir bereits dort ins Auge und ich bin mir nicht mal sicher, ob ich jedes als Fahrrad bezeichnen würde.
Etwas stockend ging es ab da voran und im gemächlichen Tempo durch die Stadt. An den nächsten zwei Treffpunkten gab es einen kurzen Stopp. Dennoch näherte sich der bunte Trupp aus tausenden Radfahrern Stück für Stück der Autobahnauffahrt Grenzallee. An der letzten Kreuzung vor der Zufahrt trafen mehr als die Hälfte der verschiedenen Sternrouten aufeinander.
Kurz gesagt: Wir standen im Stau, im Fahrradstau. Doch in der prallen Sonne bei um die 30 °C unbewegt in der Sonne zu stehen, war ein ziemlich anstrengendes und heißes Erlebnis. Die Plätze im Schatten der Häuser und unter einigen großen Bäumen am Straßenrand waren äußerst beliebt. Sie wurden für das Vorrücken um wenige Zentimeter auch nur ungern aufgegeben. Im wahren Schneckentempo ging es bis zur Autobahnzufahrt voran. Es dauerte gefühlt ewig und tatsächlich bestimmt über eine halbe Stunde mehr als eine dreiviertel Stunde (wenn ich so drüber nachdenke, war es doch eine längere Wartezeit – der Optimismus wieder) bis wir endlich an der Auffahrt standen.
Die Menschen waren unruhig, aufgeregt, doch zumeist gut gelaunt. Hier und da vermischten sich die Musikstile der aus kleinen und großen Boxen tönenden Songs. Und dann war es endlich soweit: Die Fahrt sollte nun ein paar Kilometer über die Autobahn führen – was jedes Mal ein Highlight der Tour war. Aber warum ist das so?
Mit dem Fahrrad auf der Autobahn – Freiheit auf fremden Boden
Vor uns lag die Straße, die ein Radfahrer sonst nie unter seinen Reifen spüren darf. Normalerweise verstopft vom motorisierten Kraftverkehr, lockt die mehrspurige Schnellstraße auch nicht besonders, sich dort mit dem Fahrrad aufzuhalten. Doch bei der jährlichen Sternfahrt war das anders. Hier freuten sich die meisten genau auf diese Passage. Doch warum?
Wenn ich von mir ausgehe, dann liegt es zum einen daran, dass die Straßenqualität zumeist sehr gut ist und die Straße breit. Es ist viel Platz vorhanden, um je nach Fahrstil auch in der Geschwindigkeit zu fahren, die einem angenehm ist.
Zum anderen ist die Fahrt auf der Autobahn ein wenig wie die verbotene Frucht, die man nun endlich kosten darf. So viel Platz mitten in der Stadt, auf den ich sonst nie zugreifen und der nur von einen gewissen Anteil der Bevölkerung genutzt werden kann. Ein betoniertes, totes Gebiet, wo nur Metall an Metall steht und kaum Kommunikation zwischen den Insassen der Gefährte stattfindet. Jeder ist hier für sich. Die Verlockung, diesen riesigen Platz anderweitig zu nutzen, ist enorm. Der Wunsch, ihn mit Leben zu füllen und ihn wieder zum Teil der Stadt zu machen, der von allen genutzt wird, ist riesig.
Als sich dann das Tempelhofer Feld rechts von der Autobahn zeigt, kommt wirklich das Gefühl auf, dass auch dieser Platz für alle da ist. Das Feld, um das so viel demonstriert wurde, verkörpert so viel von dem, was die Autobahn während der Sternfahrt bedeutet. Es gibt den Bewohnern von Berlin einen großen Raum zum Leben, führt zur Interaktion und vermittelt durch seine Größe so viel Freiheitsgefühl, wie man es sonst in einer Millionnenstadt kaum finden kann.
We are traffic!
Die Spannung kurz vorm Befahren der Schnellstraße war fast greifbar. Ich würde es am letzten Sonntag auch damit begründen, dass wir zum Teil wirklich sehr lange warten mussten, bis die Fahrt endlich weiter ging. Ich wollte mich endlich bewegen und Radfahren, denn das war ja die Grundintention der Tour: Gemeinsam Radfahren und dabei für „fahrradfreundliche und lebenswerte Straßen und Plätze“ (ADFC-Berlin) demonstrieren. Als dann aus einem Lautsprecher Queen mit „Bohemian Rhapsody“ erschallte, viele mitsummten und zu klingeln begannen , war die Stimmung quasi perfekt. Mit einem gewissen Hochgefühl rollten wir auf die Zufahrt und den Autobahntunnel zu, der sich gleich zu Beginn der Strecke vor uns auftat.
Bei gedimmten Lichtern und den vielen Geräuschen, die die Räder, die Stimmen und die Musik erzeugten, war mir in der tageslichtfreien Zone des Tunnels fast etwas mulmig zumute. Doch dieses Gefühl von Freude und positiver Energie der anderen Radfahrer schwappte schnell auf mich über. Dann ertönte „Bicycle Race“ und ich konnte nicht mehr aufhören zu grinsen. Als ich mich umsah und die vielen fröhlichen Gesichter sah, wusste ich wieder, warum es so besonderes war, diesen Autobahnabschnitt zu fahren. Es war dieses gemeinsame Erlebnis, dieses Gefühl von Freiheit, als wichtiger Teil der ADFC-Sternfahrt, der weltgrößten Fahrraddemonstration.
Es zeigt: Wir Radfahrer sind viele und verdienen es, ernst genommen zu werden. Ob es dieses Mal wieder 100.000 Teilnehmer waren oder „nur“ 50.000 ist schwer nachvollziehbar. Doch wir waren viele und diese Sternfahrt hat erneut Zeichen gesetzt. Das Fahrrad und seine Fahrer sollten den Platz auf der Straße bekommen, der diesem viel genutzten Fortbewegungsmittel gerechterweise zusteht. Dabei geht es nicht darum, Autobahnen abzureißen, sondern vorhandenen Raum gerechter aufzuteilen – für alle Verkehrsteilnehmer.
Finale am Brandenburger Tor
Der Rest der Rahrt verlief dann flüssig, auch nach Abfahrt von der Autobahn. Durch die Bezirke Tempelhof, Schöneberg, Charlottenburg und Tiergarten führte die Südroute schließlich über die Siegessäule und die Straße des 17.Juni zum Brandenburger Tor und endete vor dem dort stattfindenden Umweltfestival.
Ich bin 24 km durch diese wunderschöne Stadt Berlin mitgefahren und ich hoffe, nächstes Jahr kann ich wieder dabei sein.