Frisch war es am Dienstagmorgen, als ich Ljómi schnappte und zur S-Bahn stiefelte. Die erste Fernzugfahrt im Jahr 2018 stand für mich an und ich bereute bereits nach wenigen Minuten, dass ich nicht mit meinem Brompton zum Hauptbahnhof geradelt war.

Die Luft in der S-Bahn war stickig und es war viel zu warm. Menschen drängten sich aneinander, wirkten gestresst und müde. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, tuckerte die Stadtbahn im Stop-and-Go-Modus und brauchte für zwei Stationen doppelt so lang wie normalerweise. Notarzteinsatz. Auch die Ringbahn war von Verspätungen betroffen, denn die hatte ihren eigenen Notfall. Egal. Ich hatte Glück, denn sie fuhr zumindest, da ich mich spontan entschieden hatte, am Bahnhof Südkreuz in den EC zu hüpfen. Zu groß war die Gefahr, dass ich ihn am Hauptbahnhof knapp verpasste. Die nächsten 110 Minuten verbrachte ich dann entspannt in dem ungarischen Zug mit deutschem Fahrradabteil, las in der aktuellen fahrstil „Damenrad“ und die Zeit verging wie im Fluge. Zwischendurch schreckte ich bei einem Blick aus dem Fenster jedoch auf.

Winter is here!

In Sachsen lag immer wieder Schnee! Dort war es um ein paar Grad kühler und es hatte in der Nacht zuvor ordentlich Frost gegeben. Die Aufregung stieg. Würde ich dem Fahrrad bei meiner bevorstehenden Testfahrt gleich einen Härtetest unterziehen?

Dresden, Neustadt. Ich griff nach Ljómi und stieg aus dem Zug. Der Bahnhof war wunderschön. Die riesige Eingangshalle mit den großen Rundbogenfenstern, Säulen und hell getönten Wänden zwangen mich dazu, kurz stehen zu bleiben und sie zu bestaunen. Als ich dann den Bahnhof verließ, spürte ich beim Starten des Navis wie schnell meine Finger kalt wurden. Frisch war es in Dresden. -6 °C. Doch bei herrlichem Sonnenschein freute ich mich auf die kurze, etwa 4,5 km lange Fahrt in die Äußere Neustadt. Denn dort in einem großen Industriegebiet lag etwas versteckt der Showroom einer kleinen, aber feinen Dresdener Fahrradmarke: Willkommen bei veloheld!

Warum ich da nun gelandet war, könnt ihr in meinem Blogpost über das Gravelbike nachlesen. Denn nachdem ich per Mail Kontakt mit den Dresdnern aufgenommen hatte, wollte ich mein favorisiertes Fahrrad auch endlich Probe fahren. In Berlin war das gerade nicht möglich, also warum nicht eine kleine Reise weiter in den Osten Deutschlands wagen? Von Berlin aus war das quasi ein Katzensprung.

 

@veloheld in Dresden. Whoop whoop. . . #Fahrrad #bicycle #cycling #dresden

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Velohelds Showroom

Hinter dem letzten Tor eines langgestreckten Flachbaus befand sich die Heimat der kleinen Firma. Dort werden wunderschöne Stahlräder individuell zusammengebaut. Eine kleine Klingel mit Namensschild neben der Tür, die in einer Art Garagentor eingelassenen war, und der große Schriftzug in den oberen Fenstern ließen daran keinen Zweifel. Ich musste nicht lange warten bis Geschäftsführer Carsten mir die Tür öffnete und mich freundlich begrüßte. Ein Schritt hindurch und schon stand ich mitten im Showroom. Und der hatte auch sofort meine Aufmerksamkeit oder eher sein Inhalt! Die zahlreichen, verschiedenen Räder waren hier gekonnt in Szene gesetzt. Thematisch sortiert waren sie teilweise auf Holzpodesten angeordnet oder standen nebeneinander aufgereiht auf dem dunklen Fliesenboden – ein schöner Kontrast zu der Holzbalkenkonstruktion an der Decke. Hinter dem Showroom befindet sich direkt das Büro, indem die velohelden-Crew sitzt und arbeitet.

Carsten erzählte mir ein wenig über die Marke, über ihre Mitarbeiter und das Besondere ihrer Räder. Seit 2007 existiert das Unternehmen, welches aus Begeisterung fürs Radfahren gegründet wurde und dessen Name jemanden beschreibt,…

„(..) der sich durch den täglichen Großstadtdschungel “schlängelt”, in seiner Freizeit unentdeckte Gebiete “erradelt” oder an Wochenenden als Radsportler um „Ruhm und Ehre“ kämpft.“ (veloheld)

Ein veloheld eben.

Und das Besondere der Marke?

So einzigartig, wie die Räder hier aufgebaut werden, kann man das sonst nur im Eigenaufbau eines Rahmensets schaffen. Genau die kann man hier neben den Kompletträdern auch bei nahezu jedem Modell erwerben. Wer keine Lust aufs selbst Basteln oder einfach nicht das nötige Wissen dazu hat, muss dennoch nicht auf die Wunschkonfiguration verzichten. Nicht nur die Rahmenfarbe kann individuell bestimmt werden, auch die einzelnen Teile lassen sich nach Absprache bestellen und am Wunschmodell anbringen. Dabei ist die Auswahlmöglichkeit im Online-Shop an sich schon sehr gut. Bei meinem Favoriten, dem veloheld .iconX kann zwischen drei verschiedenen Schaltgruppen, verschiedenen Anbauteilen, zwei Gabelarten und drei Dekorfarben gewählt werden. Alle Räder werden in Dresden pulverbeschichtet und in der Werkstatt aufgebaut.

Mich überfordert ja schon der Gedanke, aus der riesigen RAL-Farbtabelle eine Wunschfarbe wählen zu müssen!

Test-Ride! Das veloheld .iconX

Nun hieß es aber erst einmal rauf aufs Rad: Ein iconX-Wunschaufbau von Veloheld-Kundenbetreuer Daniel mit 1×11-er Rival Schaltung und Crossreifen in Rahmengröße M war mein Testobjekt. Die Crosser/Graveller sind heiß begehrt. Wer sich jetzt ein iconX bestellt, wird das Rad vermutlich erst im Mai 2018 erhalten. Selbst im Showroom steht nur noch ein Rahmen in Größe L. Umso dankbarer war ich also, dass ich Daniels Rad ausführen durfte. Und dabei hatte ich ordentlich Spaß! Praktischerweise liegt der Showroom von veloheld nämlich an den Ausläufern der Dresdener Heide. Für mich bedeutete das: Rauf aufs Rad, über den Parkplatz gerollt und rein ins Vergnügen!

Und wie fährt sich das veloheld .iconX jetzt?

Zwei Worte fallen mir zuerst ein: Sportlich und agil! Sobald die richtige Sattelhöhe für mich gefunden war, spürte ich beim Aufsteigen, dass ich recht gestreckt da saß. Für meinen Geschmack fast schon ein wenig zu sehr. Schließlich plante ich, viele Stunden am Stück auf diesem Rad zu verbringen und das schien mir mit diesem Aufbau nicht möglich zu sein. Aber ich wurde beruhigt: Der Vorbau war relativ lang gewählt und dies war nicht der Standardaufbau. Das durfte ich nicht vergessen, machte es aber schwer, richtig einzuschätzen, ob der Graveller zu mir passen würde oder nicht. Für diese Ausfahrt jedoch war die gewählte Konfiguration sonst ziemlich gut. Es war mehr als ein Crossbike als ein Gravelbike aufgebaut, was definitiv auch den Wetterverhältnissen in Dresden geschuldet sein dürfte.

Im Wald konnte ich die Stärken dieses Crossers auf jeden Fall voll auskosten. Ich lernte schnell die Vorzüge der stark profilierten Stollenreifen kennen, die mich nicht im Stich ließen, als ich bergauf und bergab auch mal die ein oder andere tiefe, sandige Furche auf dem Waldboden überwinden musste. Die kräftigen Scheibenbremsen taten ihr übriges und gaben mir ein sicheres Gefühl. Die Kälte war schnell vergessen, als ich immer tiefer in den Wald hinein fuhr und sie brachte definitiv einen großen Vorteil mit sich: Viele Abschnitte, die ich befahren habe, wären bei wärmeren Temperaturen ziemlich matschig gewesen. So war der Boden jedoch fest und ermöglichte mir auch, ab und zu die Geschwindigkeit zu erhöhen. Ich kam aus dem Grinsen nicht mehr raus.

Über schmale Wege, Wurzeln und gefrorenes Laub, über feste Sandwege und vereisten Matsch führte mich meine Fahrt. Ich hatte Lust immer weiter zu fahren, die Gegend zu erkunden und das Fahrrad richtig auf den Prüfstand zu stellen. Doch ich musste irgendwann den Rückweg antreten. Mit kalten, roten Wangen und einem deutlichen Hochgefühl radelte ich schließlich den schmalen Pfad entlang zurück und begann bereits von meinem eigenen veloheld .iconX zu träumen.

Fazit

Ich war noch etwas unsicher, weil ich nicht 100%-ig testen konnte, ob das Fahrrad wirklich für meine Zwecke (Langstreckenfahrten, Tourenoption) geeignet und bequem genug war. Doch ich bin optimistisch, dass ein paar Anpassungen das gewünschte Ergebnis erzielen werden.

Und nun? Kaufen oder nicht?

Der Preis des Komplettrades aus Stahl mit Stahlgabel und SRAM Apex 1×11 liegt bei 1899 €. Wunschfarbe (+100 €), Carbongabel, andere Anbauteile und Schaltung kosten natürlich extra. Da geht der Preis schnell über die 2000 €. Es ist viel Geld, aber ein tolles Fahrrad einer lokalen Marke ist das definitiv wert. Ob es die Positionierung der kleinen Logos und des Schriftzuges ist oder die Möglichkeit sein Rad zu aufbauen zu lassen, wie gewünscht – Liebe zum Detail steckt in allen Fahrrädern von veloheld.

Das Gewicht liegt bei einem Aufbau mit einer hochwertigen Schaltgruppe beim Komplettrad bei nur knapp über 9 kg. Der Aufbau, den ich im Kopf habe (Shimano 105er, Nabendynamo, Beleuchtung, Pizzarack), wird es wohl auf die 11,5 kg bringen, was ich mehr als in Ordnung finde.

Auf der Suche nach Empfehlungen

Ich bin mir bei einigen Anbauteilen unsicher, welche ich wählen soll:

  1. Die Reifen: Zur Wahl stehen aktuell die Panaracer Gravel King SK mit Skinwall, WTB Byway oder Horizon Plus. Standardmäßig gäbe es die Schwalbe G-One. Mir sind Reifen wichtig, die sich auch gut und schnell auf Asphalt fahren, aber eben bei unruhigem Terrain nicht gleich aufgeben. Tubeless ready sollten sie sein. Welche Breite findet ihr da angenehm?
  2. Der Dynamo: Da gehen die Geister sicher auseinander, ob man den braucht oder nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es da gern praktisch habe. Ich habe einen Cylcle 2 Charge an meinem Tourenrad und würde den gern weiter nutzen wollen. SON wäre das Optimum, aber leider mit dazugehörigen Strahlern deutlich zu teuer für mich aktuell. Was haltet ihr vom Shutter Precision? Ich habe besonders zur Haltbarkeit sehr unterschiedliche Sachen gehört. Das Gewicht und der Wirkungsgrad scheinen mir aber sehr gut zu sein. Oder lieber mehr sparen?
  3. Der Gepäckträger: Ich möchte zum ersten Mal einen vorderen haben – ein Pizzarack zum Beispiel von Pelago mit der Möglichkeit auch Front Roller Taschen anzubringen. Größe M oder L? Nutzt ihr sowas?

Ich freue mich sehr über Feedback hier oder in den Facebook-Kommentaren!

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7 Comments

  1. Ralf aus Hannover Reply

    Ich würde auch zu breiteren Reifen tendieren, 2 Zoll also 50mm machen durchaus Sinn. Ich fahre Schwalbe Marathon Almotion in 28×2 Zoll. Der Reifen rollt sehr leicht und ist robust, aber nicht ganz leicht. Das ist es aber wert. Allerdings ist das Fahrverhalten mit 28 Zoll etwas träger. Ich bin 1,87m groß. Kleineren Leuten würde ich eher 27,5 oder 26 Zoll empfehlen. Von Breezer gibt es einen 27,5 Zöller aber nur mit Tiagra-Ausstattung. Von Surly den Disc-Trucker gibt es in 28×1³/8 oder 26×1³/4 Zoll. Surly hat die bessere Ausstattung und getrennte Schathebel (Lenkerend) und Bremshebel. Das ist nicht ganz so bedienfreundlich aber reparaturfreundlicher.
    Beim Nabendynamo habe ich SON. Es ist halt eine Geldfrage.
    Bei der Schaltung bin ich der absolute Rohloff-Fan. Aber damit kommst Du in ganz andere Preisregionen. Nimm auf jeden Fall bei Kettenschaltung Doppel- oder Dreifachkettenblatt, damit Du starke Berggänge und eine bessere Kettenlinie bekommst.
    Die Lenkerform ist wirklich Geschmackssche. Ich persönlich und z.B. auch Alle Dunham von cyclingabout.com sind von Rennlenker wieder auf geraden Lenker zurück gegangen. Das Handling auf schlechten Wegen ist besser. Die Rahmen sind für Rennlenker etwas kürzer gebaut, so dass das nachträgliche umswitchen eher schlecht geht. Vielleicht solltest Du Rennlenker mal probieren.
    Der Rennlenker sollte wesentlich höher als beim Rennrad montiert sein, also der obere Rand genauso hoch wie der Sattel. Das ist nicht bei allen Gravelbikes oder Randonneuren so. Zur Not hilft hier eine Lenkerschaftverlängerung.
    Zu viel Gewicht am Vorderrad führt zu einem sehr trägen Lenkverhalten, denn der Gepäckträger wird beim Lenken mitbewegt, anders als beim Brompton. Ich würde nur Lenkertasche und höchstens noch Lowrider nehmen. Einen stabilen Hinterrad-Gepäckträger finde ich besser.
    Ich würde der Funktion Vorrang geben vor Optik und Kultfaktor.
    Zur Zeit habe ich gerade viel Spass mit meinem neuen Brompton M6LDX.

    Gruss Ralf

    • Danke für dein ausführliches Feedback! Was die Ausstattung angeht, habe ich mich mittlerweile entschieden. Nur bezüglich Frontrack bin ich noch unsicher.

  2. Zu 1: Pannenschutz irgendwie relevant? Wenn nein, würde ich zum Panaracer tendieren. Wenn ja, nochmal bei Schwalbe ins Programm schauen, den G-One bin ich bisher noch nicht gefahren. Breite? 37 mm wäre schon eher Minimum, 42 mm gerade auf unruhigen Wegen schon eher bequem – wenn der Rahmen das zulässt.
    Zu 2: Die SP sind schon nicht schlecht. Aber ein Deore-XT von Shimano erledigt den Job auch und der Gewichtsunterschied an der Nabe ist nicht extrem groß. SON ist toll, aber eben preislich…..sowohl die Shimanos als auch der SON tun hier seit Jahren unauffällig Dienst.
    Zu 3: Lässt die Gabel das auch zu? Das Pizzarack macht Sinn, wenn du große Lenkertaschen mitnehmen willst. Wenn du mit Frontrollern & Co. fahren willst, machen ganz klassische Lowrider mehr Sinn und sind günstiger, sogar die von Tubus (und leichter).

    p.s.: Ein wirklich schöner Blog.

  3. Wie schön, dass du dort warst! Das Rad klingt sehr verlockend.
    Ich bin so gespannt, wofür du dich entscheiden wirst. Und freue mich auf die erste Ausfahrt!

  4. Sehr schöner Bericht!
    Mein iconX ist bei den Jungs gerade in Arbeit und hoffentlich in den nächsten Wochen fertig. Vom Konzept her ist es glaube ich relativ ähnlich zu dem was du dir vorstellst – ein eher gemütliches aber trotzdem schnelles All-Road Bike. Ich habe mich für 650B-Laufräder mit 48mm Compass Switchback Hill Reifen entschieden, die sich auf Asphalt aber auch auf gröberem Untergrund wohlfühlen. Der SON Edelux Strahler kommt vorne an den Pelago Commuter Träger in M und wird von einem SON28 betrieben.

    Ich kann es kaum abwarten und berichte gerne noch mal detaillierter wenn ich die ersten Kilometer drauf habe.
    Schöne Grüße aus Berlin nach Berlin!

    • Ach, witzig, das klingt wirklich sehr ähnlich. Warum hast du dich für 650B-Laufräder entschieden? Hatte das einen bestimmten Grund?

      • Hauptsächlich um möglichst breite Reifen mit möglichst wenig Druck fahren zu können und somit den Komfort zu erhöhen.

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