Am vorletzten Wochenende im Oktober 2016 hieß es: Wien calling! Wie bereits auf der Berliner Fahrradschau im März angekündigt, fand die 1. Wiener Fahrradschau in der historischen, alten Marx Halle in Wien statt und bot allerlei Programm.

Nachdem ich mit dem Nachtzug aus Köln am Freitagmorgen angereist war, Brompton (the DEMONstrator von Boxbike) und Monsterrucksack im Schlepptau, gönnte ich mir bei nebligem Herbstwetter erstmal ein gutes Frühstück. Im Anschluss fuhr ich wieder zurück zum Hauptbahnhof, um Miriam in Empfang zu nehmen. Die kam am frühen Nachmittag zusammen mit ihrem neuen Rennbrommie Ayk an, eine Black Edition in Schwarz. Nach dem Check In im Hotel, einem seeeehr guten Mittag und genug Zeit zum Austauschen und Erzählen, machten wir uns zum ersten Mal auf den Weg zur Marx Halle. Dort fand die offizielle Presseeröffnung der Fahrradschau statt, bevor sie für das Publikum um 18 Uhr öffnen sollte.

Marx halleWie immer gab es die verschiedenen Bereiche unterteilt in HANDMADE, URBAN LIFESTYLE, VELO COUTURE, E-MOBILITY und AMBITION. Zusätzlich gab es wieder eine große Event Area u.a. mit Bike Polo, BMX Bereich und Kiddie-Corner.

Nach der Begrüßung und einem ersten Rundgang wurde ein besonderes Projekt der Stadt Wien zusammen mit Heineken enthüllt: Ridentitiy – Das Wiener Radl.


Der Initiator Oliver Toman hat zusammen mit Betrieben aus 23 Bezirken Wiens aus 23 Teilen ein Fahrrad für Wien erschaffen, dass eine völlig neue Dimension im Bereich City Bike setzen soll. Hochwertige Materialien, Stahlrahmen und Holz bilden die Grundlage für ein einmaliges Fahrrad, dass innerhalb nur weniger Wochen konstruiert und gebaut wurde. Inwiefern und in welchem Ausmaß das nun tatsächlich später in der Stadt Wien zum Einsatz kommen soll, wurde allerdings nicht erwähnt.

Bike-Art-Gallery

Drehte man sich an der Stelle einmal um, stand man direkt vor der Bike-Art-Gallery u.a. mit Werken des Wiener Künstlers Georg Wagenhuber. Dieser hat begonnen mit Acryl Radfahrer zusammen mit ihren Rädern zu porträtieren. Dabei spielt der Style und der Bezug des Besitzers zu seinem Rad eine besondere Rolle für den Ausdruck des Bildes.

Nach dem Abschluss des Presserundgangs machten wir uns ebenfalls auf eine kleine Runde auf, merkten allerdings auch schnell, wie anstrengend so ein Reisetag ist. Von daher war es nur ein kurzer Besuch am ersten Tag, der am Sonntag im Rahmen der Brompton World Championship etwas ausgedehnt wurde. Besonders aufgefallen sind mir folgende Marken und Produkte.

Räder

Neben Schindelhauer Bikes, die Stammgäste auf der Fahrradschau sind, waren auch 8bar aus Kreuzberg und Standert aus Berlin anwesend. Weil es aber langweilig wäre, wenn man alles schon aus Berlin kennt, habe ich auch nach lokal ansässigen Firmen geschaut und traf auf MyEsel.

MyEsel

Holzräder gab es auch in Berlin auf der Messe eine ganze Menge. Ins Auge gefallen ist mir in Wien besonders der Esel. Ja, so heißt das Rad, das komplett aus einem Eschenholzrahmen besteht, der besonders robust und widerstandsfähig ist. Das Holz wird vierfach versiegelt, um es vor Feuchtigkeit und Kratzer zu schützen.

Esel Wooden bikeEs gibt verschiedene Ausführungen, die reichen vom Singlespeed mit Carbonfelge ab ca. 9kg / 10kg Gewicht, über das Rad mit Schaltung mit ca. 13 kg bis hin zum E-Bike, welches den Motor und Akku in der Hinterradnabe verbaut hat. Das Design ist sicher Geschmackssache, doch wurde besonderes Augenmerk auf die Details gelegt. So verlaufen zum Beispiel die Brems- und Schaltzüge innerhalb des Rahmens.

Was mir besonders an diesem Rad gefällt, ist weniger die Optik, als die gesamte Produktionsgestaltung und der Nachhaltigkeitsfaktor. Einmal natürlich durch die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz, andererseits auch, weil die Herstellung in Österreich ganz individuell und fast nur auf Nachfrage erfolgt. Der Interessent wird vermessen und Körpergröße, Schrittlänge/Wadenlänge und Schuhgröße abgenommen, um ein perfekt abgestimmtes Fahrrad fertigen zu können. Dadurch, dass es keine Vorproduktion gibt, kommt man auch nicht in Verlegenheit Saisonmodelle über zu haben. Veränderungen und Verbesserungen im Design können außerdem sofort berücksichtigt und angepasst werden.

Mode und Accessoires
Kutusha Sports launchte am Donnerstag ihre erste Commuter Collection.
Kutusha Sports launchte am Donnerstag ihre erste Commuter Collection.
Feewerk

Beim Bummel am Sonntag rückten bunte Fahrradtaschen in mein Blickfeld. Die hatte ich auf der Berliner Fahrradschau vor zwei oder drei Jahren auch schon einmal gesehen. Auf meine Nachfrage hin stellte sich raus, dass die ungarische Designerin Krisztina ihr Atelier in Berlin hat und dort seit ein paar Jahren die Lenkertaschen und Fahrradaccessoires fertigt. Die Lenkertaschen gibt es in zwei Größen und können auch als Umhängetasche getragen werden. Einzelne kleine Taschen und gemusterte, bunte Cover machen sie nicht nur zum praktischen, sondern auch optisch ansprechenden Alltagsgegenstand. Feewerk fertigt außerdem auch Rahmen- und Gepäckträgertaschen, sowie Hüte und Radleggings.

Verðandy

Der Stand direkt gegenüber von Feewerk wurde von zwei jungen Männern aus Wien betreut, die optisch genauso viel her machen, wie ihre Jersey-Denim Kollektion ;-). Die beiden Gründer, waren und sind Models und waren auf der Suche nach bequemen und funktionalen Hosen für den Alltag. Sie konnten sich aber nicht mit der Optik der Jogginghose abfinden. Also gründeten sie ihr Label Verðandy. Der Name kommt aus der nordischen Mythologie und symbolisiert die Schiksalsgöttin der Gegenwart mit ihren Schicksalsfäden. Die verschiedenen Hosen- und Jackenmodelle haben alle nordische Namen und eine eigene Geschichte, die meist als Print auf dem Taschenfutter zu finden ist.

Die Hosen sehen aus wie eine Denim, bestehen aber aus einem speziellen Jersey (also Maschenware), der die Optik einer Jeans hat. Das Material ist super angenehm auf der Haut und macht jede Bewegung mit. Der Schnitt der Hose Thor orientiert sich an der Jogginghose mit Gummizugbund und legerem Schnitt, sieht aber dank der sonstigen Verarbeitung und der Materialoptik wie eine Jeans aus. Es gibt auch noch Hosenmodelle im klassischen Jeansschnitt und eine T-Shirtlinie aus Tencel, die sehr anschmiegsam, feuchtigkeitsabsorbierend und antibakteriell ist.

Die beiden Gründer hatten zunächst gar nicht die Absicht sich auch in der Fahrradszene umzuschauen. Sie merkten aber aufgrund der Flexibilität und dem Comfort des Materials, dass sich die Hosen und Shirt auch sehr gut im Radalltag machen. Die Produktion erfolgt ausschließlich in Europa.  Bisher gibt es auch nur eine Herrenlinie. Aufgrund der Nachfrage durch weibliche Interessenten wurden aber bereits kleinere Größen ins Sortiment aufgenommen, die auch Frauen passen könnten.

Alberto

Wo ich gerade bei Jeans bin: Es gab auch echte Denim zu sehen und anzuprobieren. Wie schon in Berlin waren die Mönchengladbacher von Alberto ebenfalls mit einem großen Stand anwesend. Die liebe Tanja nahm sich ganz viel Zeit für uns und erklärte uns die ganzen Details der Hosen, von denen es eine Herren und eine Damenlinie gibt. Leider sind die Details beim Damenmodell nach wie vor Pink (Taschenfutter, reflektierender Print). Das ist nicht jederfraus Geschmack, aber einige weichen wohl auch auf die Herrenmodelle aus. Von den Hosen aus dem Golfbereich inspiriert, werden die Materialien streng getestet und Reissfestigkeit, Wasserdurchlässigkeit und Riebfestisgkeit geprüft. Teilweise werden die hochwertigen Stoffe von Schöller verwendet, die mit Ecorepellbeschichtung ausgestattet sind.

Nach einer Anprobe konnten wir feststellen, wie stretchig und dehnbar das Material ist und jede Bewegung mitmacht. Leider passt es dennoch nicht für jede Figur und ist tendenziell recht schmal geschnitten. Wie im Golfbereich strebt Alberto auch bei der Bike und Bicicletta Kollektion eine  komplette Umstellung an auf durch Ökotex 100 gekennzeichnete Stoffe.

nimdu

Eigentlich war ich im Begriff zu gehen und schlich nur noch um einige Stände herum, ohne noch näher heran zu gehen. Eigentlich. Doch schnell verwickelten mich Daniel und Stefan vom Schweizer Designer Label nimdu in ein Gespräch. Die beiden fertigen hochwertige, elegante Wandhalterungen für das Fahrrad. Es gibt verschiedene Modelle und Ausführungen, die zumeist aus Holz und beschichteten Metall hergestellt sind. Sie funktionieren als Möbelstück oder Regalfläche und bieten somit auch eine Ablagemöglichkeit. Beim N-Modell ist zum Beispiel eine Schublade integriert, während das I-Modell sich einfach einklappen lässt und so dezent und unauffälig seinen Platz an der Wand einnimmt.

Toll fand ich auch, dass die Wandhalterungen für das Fahrrad lokal im Umland von Zürich in sozialen Einrichtungen in Zusammenarbeit mit dem Lernwerk Vogelsang gefertigt werden.

Festival
Radkult Festival

Am Samstag war das Wetter so schön, dass wir die Zeit in Wien genutzt haben, um uns ein wenig die Stadt anzuschauen. Doch zum Abend hin zog es uns wieder zurück zur Marx Halle. Denn dort fand im Rahmen der Wiener Fahrradschau auch das Radkult Festival statt. Dieses feierte fünfjähriges Jubiläum und fuhr dafür unter anderem den Tweed Ride, eine Alleycat und ein Kino auf. Im Filmtheater der Marx Halle ließ es sich bequem sitzen und so schauten wir zwei Dokumentationen zum Thema Ciclismo Cubano mit dem Film „Rodando en Habana“. Diese behandelten den Fahrradboom aufgrund der Erdölknappheit in den Neunzigern auf Cuba. Die Filme stelen dar, wie es im Vergleich heute auf der Insel aussieht und welchen Stellenwert das Fahrrad dort hat. Sehr kurzweilig und informativ.

Vienna Rad Cross – Rad Race

Im Anschluss machten wir einen Bogen in die nebenliegende Halle zum legendären Rad Race. Das fand in Wien als Cyclocross – Rennen statt, die Auswahl der Räder war aber den Teilnehmenden überlassen. Unter dem Motto „Stop Rascism. Start Raceism.“ konnte jeder mitmachen und den Parcour, der aus teilweise sehr steilen Rampen, Paletten und Baumstämmen bestand, befahren. Oder belaufen, denn so manch einer nahm lieber den Weg über die Paletten mit dem Rad im Arm, als die Rampe hochzufahren.

#Radrace cyclocross @fahrradschau . . . . #wfs #fahrrad #race #vienna #wien #fahrradschau @radrace

Ein von Radelmädchen (@radelmaedchen) gepostetes Video am

Es war eine spannende und unterhaltsame Veranstaltung, bei der man nicht umhin kommt mizufiebern und bei jedem Sturz zusammen zu zucken.

Dort trafen Miriam und ich auch zum ersten Mal auf die Londoner Brompton Crew mit dem Worldchamp Mark Emsley. Doch dazu weiteres im nächsten Blogbeitrag,

Fazit

Auch, wenn die 1. Wiener Fahrradschau deutlich kleiner als die Berliner ist, gab es einige örtlich ansäßige Firmen zu entdecken. Das Publikum war sehr durchmischt. Im Gegensatz zu Berlin gab es hier einen besseren Mix durch die verschiedenen Altersgruppen. Ich hatte nicht ständig das Gefühl in ein Hipsternest zu laufen. Vielmehr war alles sehr entspannt, sehr freundlich und die Menschen durchweg gut gelaunt.

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