Ein Jahr ist es her, dass ich zum ersten Mal beim Mühlenbrevet mitgefahren bin. Zeit für einen Rückblick, denn erzählen wollte ich auf dem Blog schon lange davon! Es war ein herrlicher Tag, eine schöne Tour mit vielen wunderbaren Menschen. Leider war der Tag jedoch auch gespickt mit einigen Gefühlsschwankungen. Von mega happy zu etwas traurig und betrübt, weil es am Ende doch nicht ganz so lief, wie ich es mir gewünscht hätte. Obwohl ich schon mit einem Back-Up-Plan gestartet bin. Wie das kam und warum ich mich dennoch so gern ans Mühlenbrevet zurück erinnere, möchte ich in diesem Beitrag mit euch teilen.

September ist Mühlenbrevet-Zeit! Nachdem mein erster Versuch am Brevet teilzunehmen 2020 leider spontan abgesagt werden musste, freute ich mich umso mehr auf die 2021er Ausgabe.

Was ist ein Brevet? Und was das Mühlenbrevet?

Brevet ist ein französisches Wort und bedeutet wörtlich übersetzt Prüfung. “Randonneurin“, was als Wort auch irgendwie ins Deutsche gelangt ist, heißt eigentlich Wandererin; gemeint ist das Radwandern.

Die liebe Eva (takeshifahrtrad.com) hat für The Woman All Ride einen ganz tollen Artikel zum Thema Brevet geschrieben. Schaut da gern vorbei für mehr Info!

Bei einem Brevet sind Strecke und Zeit, in der diese absolviert werden soll, vorgegeben. Auch wenn das Mühlenbrevet kein offizielles Brevet des Weltverbandes ist, gelten diese beiden Vorgaben dort auch. Außerdem dreht sich, wie der Name schon sagt, ganz viel um Mühlen, die auf der Strecke liegen und angefahren werden. Neben der langen 250 km Straßenversion, kann man auch die 150 km Gravel-Strecke fahren, beides im Ballern- oder Entdecker-Modus (siehe muehlenbrevet.de). Also entweder durchziehen und schnell sein oder entspannt fahren und ganz viel gucken! Ist klar, welche Variante ich gefahren bin, oder? Um dem ganzen noch das I-Tüpfelchen aufzusetzen, gibt es kleine Aufgaben unterwegs an den Mühlen zu lösen. Im Anschluss an die Tour folgt abends am Start- und Zielort in Leipzig eine Tombola.

Haus mit Graffiti
Start und Ziel Mühlenbrevet

Los gehts?

Obwohl ich 2021 am Mühlenbrevet teilnehmen konnte, hatte ich dennoch gemischte Gefühle in Bezug auf meine Teilnahme. Denn mein Körper hatte in diesem Jahr eine für mich ganz neue Erfahrung durchmachen dürfen. Kurz gesagt: Beim Mühlenbrevet 2021 gingen wir zu zweit an den Start. Ich war im 6. Monat schwanger und wusste, dass dies vermutlich das letzte Event derart für mich sein würde in diesem Jahr und ich eventuell Abstriche machen müsste bei der Fahrt. Radfahren war an sich kein Problem für mich bis zu dem Zeitpunkt. Ich merkte nur langsam, dass die gebeugte Haltung auf dem Gravelbike nach einer Weile anstrengender für mich wurde und ich häufiger Pausen brauchte.

Dies im Hinterkopf habend, prüfte ich die Brevetstrecke vorher ganz genau, nachdem die gpx-Daten ein paar Tage vor dem Event per Mail ankamen. Da die Strecke 2021 quasi im Halbkreis um Leipzig herum ging und es überall Bahnverbindungen gab, war ich schnell beruhigt und der Back-Up Plan stand. Sollte es nicht mehr gehen, würde ich einfach den nächsten Bahnhof anfahren! Das ist übrigens auch eine gute Herangehensweise allgemein, bei solchen Events, besonders, wenn man sich die ganze Strecke eventuell noch nicht zutraut oder einfach auf Nummer sicher gehen will im Fall der Fälle.

Frau schaukelt vor Mühle mit Fahrrad
Wenn eine Schaukel da ist, muss auch geschaukelt werden. Und das Bäuchlein zeichnet sich auch schon ab – nein das war nicht nur Eis! Photo: Martin

Ein besonderer Tag unter Fahrradfreund:innen

Also fuhr ich an einem Samstag im September früh am Morgen mit dem ICE von Berlin nach Leipzig, um direkt an den Startort zu fahren. Ich freute mich darauf viele bekannte Gesichter zu sehen, freundliche Menschen zu treffen und vor allem natürlich einen tollen Tag auf dem Rad zu verbingen.

Ankommen, einchecken, hallo sagen! Von der „The Women All Ride“ Crew waren richtig viele Damen anwesend: Marie als Organisatorin, Steffi, Sandra und die beiden Jules :-). Was für ein tolles Widersehen und endlich mal nicht nur digital. Dennoch sollten wir uns an diesem Tag aufteilen, denn erstens fuhren nicht alle mit, zweitens war auch der Fahrmodus unterschiedlich geplant. Ich wartete auf Bianca und Martin, mit denen ich die Tour angehen wollte. Dass wir später auf der Strecke noch viele andere treffen sollten und schließlich sogar zu siebt (ich hoffe, ich habe niemanden vergessen…) unterwegs sein sollten, war nicht geplant, passiert aber auf einer Ausfahrt wie dem Mühlenbrevet ganz leicht.

Twar Crew
TWAR. Photo: Bastian Steinbach

Wir radelten über feinsten Schotter, über holprige Wiesenwege, mückenreiche Trails durch dichten Wald, steile Abfahrten runter und schoben deftige Anstiege hoch. Die Mischung der Wege auf der Gravelrunde war grandios, auch wenn es für meinen Geschmack und aktuellen Körperzustand damals etwas zu viel Geruckel auf den Wiesenwegen war. Bereits nach den ersten Kilometern auf diesen merkte ich, dass meine Mutterbänder deutlich beansprucht wurden und ich versuchte daher mich etwas zurückzunehmen, fuhr besonders langsam auf diesen Abschnitten und holte auf glatterem Untergrund wieder auf.

Die Mühlenvielfalt enttäuschte ebenso wenig. Wir versuchten unsere Aufgaben so gut es ging zu lösen, klebten Sticker, sammelten Obst von den zahlreichen Bäumen am Wegesrand und freuten uns über Kreidesprüche auf Asphalt, die ebenso Teil der Aufgaben an den Mühlen war. Schließlich trafen wir auf weitere bekannte Gesichter und spontan fuhren wir als Gruppe weiter. Auch, wenn ich mich dabei durch die Hits der 90er quälen musste, war die Stimmung großartig.

Eis, Eis Baby!

Die erste richtige Pause konnte ich da kaum noch erwarten. Und die kam dann auch richtig – das erste Café nach knapp 45 km, Backkartoffel, Pommes, Eisbecher und ein erfrischendes Kaltgetränk halfen die leeren Energietanks wieder aufzufüllen. Dannach rollte es sich gleich wieder besser. Später folgten natürlich noch Kaffee und Kuchen an einer der Mühlen, die ein Café beherbergte. Schön wars. Da störte auch der leichte Regen nicht, der am Vormittag für eine kurze Erfrischung sorgte, denn ansonsten war es ausreichend warm!

Abbruch

Leider merkte ich aber immer deutlicher, dass die Strecke zu fordernd für meinen Körper war. Ich hatte bei jedem zu unebenen Streckenabschnitt zunehmend Schmerzen an unterem Rücken und den Bändern, sodass ich irgendwann immer langsamer wurde. Ich war frustriert, denn ich genoss es so sehr unterwegs zu sein. Gleichzeitig versuchte ich mir klar zu machen, dass ich vorab schon damit gerechnet habe, dass ich eventuell nicht die komplette Strecke fahren kann. Und schließlich wollte ich auch meinem Baby nicht zu viel zumuten. Das war das Wichtigste. Fast alle Mitfahrenden in der Gruppe wussten, dass ich schwanger war, was ich aus Sicherheitsgründen veraten hatte, denn sonst wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht so viele davon. Schließlich war es soweit und ich begann nach Bahnverbindungen zu suchen und verabschiedete mich bei ca. Kilometer 85 von meiner Fahrgemeinschaft.

Es fiel mir so schwer, die letzten Kilometer zum Bahnhof allein zurückzulegen. Ich war traurig, mich von der tollen Gruppe zu trennen, mit der ich gefahren bin. Niedergeschlagen, weil meine Beine defintiv noch fit gewesen wären für mehr Kilometer und gleichzeitig erleichtert, die Entscheidung getroffen zu haben. Es dauerte noch ein bisschen, bis ich das so akzeptieren konnte, doch dann war ich froh, früher am Ziel einzutreffen und mich etwas ausruhen zu könnne. Es fühlte sich richtig an, schließlich ging es hier auch nicht nur um mich. So hatte ich noch Zeit für eine Dusche bevor das Abendprogramm mit entspanntem Zusammensein und Tombola los ging und außerdem war nun ausreichend Zeit zum Quatschen :-).

Was macht das Mühlenbrevet so besonders?

Was macht diese Art von Event so toll? Zum einen die Achtsamkeit und Feinfühligkeit der Veranstaltenden, die dafür gesorgt haben, dass es beim Mühlenbrevet ein vielfältiges und geborgenes Miteinander gibt. Obwohl es ein Event ist, welches Gender-gemischt stattfindet, wurden von vornherein FLINTA Personen mehr Raum geboten. Sei es durch frühzeitige Anmeldemöglichkeiten, ausreichend Informationsmöglichkeiten oder die Offenheit der anderen Teilnehmenden. So kam es, dass die Anzahl der weiblichen Mitfahrenden deutlich höher war, als bei anderen Fahrradevents.

Man kann allein losfahren, wenn man möchte. Doch wenn man aufgeschlossen ist und man Lust dazu hat, finden sich im Laufe des Tages immer andere Mitfahrende mit denen man ein Stück zusammen radeln kann. Schnell ist man mit bekannten oder auch fremden Menschen unterwegs, erlebt die Strecke zusammen. Das verbindende Element: Der Spaß am Radfahren. Und das ganz ohne Stress oder Druck.

Mühle am Weg

Danke für dieses tolle Mühlenbrevet und diese wunderbare Zeit auf dem Fahrrad. Und nächstes Jahr kann ich hoffentlich auch wieder mitfahren!

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