Lang, lang ist es her, dass ich mit dem Gravelbike in den Zug gestiegen bin, um ein paar Kilometer aus der Stadt rauszufahren und eine Tour zu machen. An einem wunderbar sonnigen Freitag Ende September war es endlich wieder soweit. Ich hatte babyfrei, war motiviert und freute mich auf ein paar Stunden auf dem Rad. Wo ich unterwegs war und wie es sich angefühlt hat nach Monaten plötzlich mehr als 2,5 Stunden allein Radfahren zu können, teile ich in diesem Beitrag.

Transparenzhinweis: Eigenwerbung, da ich kurz über mein Buch „Radvergnügen in und um Berlin“ spreche, welchem ich diese Tour entnommen habe.

Dabei experimentierte ich dieses Mal nicht lange mit neuen Strecken herum, sondern nahm eine, von der ich wusste, dass sie mich mitten hinein in wunderschöne Natur bringen würde, ohne dass ich dafür lange durch urbanen Raum fahren muss. Ich bediente mich an einer meiner liebsten Touren aus meinem Buch „Radvergnügen in und um Berlin“, die eine gute Mischung aus offroad Spaß (je nach Wunsch Trail- oder Schotterweg-lastiger) und feinstem Asphalt aufweist.

Schilder im Wald
Auf dem Oberförstereiweg

Durchs grüne Löcknitztal

Meine Tour startete am Regionalbahnhof in Erkner im Südosten von Berlin. Von dort ging es auf schnellstem Weg durch die Stadt raus in den Brandenburger Wald und rein ins Löcknitztal. Die erste Hälfte der Strecke bietet feinste Schotterwege und immer wieder die Möglichkeit ein paar Trails entlang der urigen, wilden Löcknitz zu fahren. Der zweite Teil der Tour lässt einen viel über Asphalt fliegen und bietet einen herrlichen Ausgleich.

Die erste Wahloption gibt es nach einigen Metern auf dem Oberförstereiweg. Hier radelt man entweder gerade weiter über altes Kopfsteinpflaster über die Autobahnbrücke und folgt dann wieder dem Schotterweg. Oder es geht etwas fordernder unter der Straße hindurch, um kurz darauf einem schmalen Pfad entlang der Löcknitz zu folgen, der durch den Wald und unter anderem über eine Schafweide führt. Ein paar Kilometern später gelangt man schließlich wieder zurück auf die breiten gut fahrbaren Schotterforstwege. Ist klar, worauf ich Lust hatte, oder?

Nach der Überquerung der Landstraße vorbei am Kriegsdenkmal hat man erneut die Wahl, ob man auf der Schotterstraße bleibt oder auf dem Löcknitztalweg vorbei an wilden Wiesen und der wilden Löcknitz fahren möchte. Dieser Wanderweg ist sehr schön, mitunter aber technisch etwas fordernder aufgrund von Wurzeln und Unebenheiten. Am Wochenende sollte man mit einigen Wandernden rechnen. Unter der Woche jedoch hatte ich den Weg nahezu allein für mich. Ich musste immer wieder innehalten, ein paar Fotos machen und einfach die Einsamkeit und die Schönheit dieses Fleckchen Erdes genießen.

Vorbei an der Fontane Kiefer erreicht man bald Klein Wall und die Forellen-Fisch-Anlage. Nach ein paar Kilometern auf Waldwegen gelangt man nach Mönchswinkel. Dort gibt es einen tollen, großen Biwakplatz mit Bänken und Feuerstelle direkt an der wilden Spree, die nun immer wieder entlang der Route durch Wald und vorbei an Feldern liegt.

Auf dem Spreeradweg

Die Route verläuft weiter auf dem Spreeradweg und ist quasi durchgehend asphaltiert und sehr gut zu fahren. Hier kommt nach Lust und Laune auch etwas Tempo mit rein. Das schlug ich dann auch an, denn ich war langsam hungrig und ich wusste, was mich ein paar Kilometer später in Spreenhagen erwarten würde: Holly’s Kuchenparadies <3! Wie sehr ich mich auf einen ganzen Teller voll mit Kuchen freute, muss ich nicht näher ausführen, denke ich!

Mit dem Gedanken an frischen Kuchen war ich auch nicht ganz so sauer auf mich selbst, als plötzlich mein Wahoo ausging, weil der Akku leer war. Ich hatte scheinbar vergessen, ihn vor der Tour zu laden. Anfängerinfehler… oder das Ergebnis von zu geringer Nutzung. Zum Glück gibt es bei komoot auch Sprachsteuerung und mein Telefon hatte glücklicherweise genug Saft dafür. Ich entdeckte zusätzlich immer wieder Radwegsschilder, die mich ebenso gut wieder an mein Ziel gebracht hätten. Nachdem ich gut gestärkt mit einem Bauch voll Kuchen wieder aufs Rad gestiegen war, rollte ich wieder zurück gen Erkner. Ich merkte, dass ich eigentlich gerade erst so richtig in Schwung kam und nun hätte immer weiterfahren können. Doch so langsam musste ich den Heimweg antreteten.

Ich versuchte also den Moment zu genießen: den Umstand draußen sein zu können, allein unterwegs sein zu dürfen und einfach nur Radzufahren. Das machte mich sehr glücklich. Als ich den Bahnhof in Erkner wieder erreichte, fühlte ich mich energiegeladen, ausgeglichen und in freudiger Erwartung auf eine warme Dusche zu Hause – und darauf meine beiden Herren wiederzusehen!

Die Tour ins Löcknitztal auf komoot

Meine Radvergnügen-Tour ins Löcknitztal findet ihr in meiner zum Buch erstellten komoot-Collection, wo bereits die hier zuvor vorgestellte Strecke durch Potsdam und Werder zu finden ist.

Exkurs: Weggedanken – die Sache mit den Verpflichtungen

So alles in allem war das eine sehr gelungene Ausfahrt (der Fauxpas mit dem Navi mal außen vorgelassen). Ich habe es sehr genossen, allein unterwegs zu sein, mich einfach mal wieder treiben zu lassen ohne auf die Bedürfnisse von anderen Rücksicht nehmen zu müssen. Auch wenn ich definitiv in den letzten 9 Monaten nie so viel Zeit am Stück für mich gehabt habe, wie an diesem Tag, und ich mich eigentlich sehr frei gefühlt habe, so war ich dennoch nicht gänzlich befreit von Zeitdruck und Leistungsgedanken. Diese beschäftigten mich nicht nur während der Tour.

Das begann schon bevor ich überhaupt losgefahren bin. Denn natürlich hätte ich den Tag auch ganz anders nutzen können. Auch wenn die Aussicht auf ein paar Stunden auf dem Rad unfassbar verlockend klangen, so hätte ich die Zeit ebenso mit Arbeit verbringen können. Leider steht das Radfahren oft eben nicht mehr an erster Stelle, so selten ich es dieses Jahr auch getan habe. Ich bin freiberuflich und selbstständig tätig. Auch, wenn ich in den letzten Monaten nicht so aktiv war und sein konnte, wie in den Jahren zuvor im Sommer, so gibt es aufgrund von langfristigen Kooperationen eigentlich immer etwas zu tun.

Jule mit Helm auf einem Waldweg

In den vergangenen Wochen war ich schwer in eine Phase der Konzentration hinein gekommen, in der ich wirklich produktiv sein konnte. Zu leicht ließ ich mich ablenken, zu kurz waren oftmals die Zeitblöcke in denen ich etwas machen konnte ohne immer wieder unterbrochen zu werden.

Irgendwie wollte ich wieder zu viel auf einmal machen: Die Zeit richtig nutzen, nur nicht vergeuden und z.B. sinnlos am Telefon hängen bleiben. Auch wenn ich schließlich mit dem Gedanken losgefahren bin, dass ich mir ein Zeitlimit setzen könnte und dannach ja noch arbeiten, kam es natürlich anders. Und das war am Ende ok so, denn ich konnte das akzeptieren. Die Glücksgefühle nach der Tour waren Bestätigung genug, dass ich diese kleine Auszeit wirklich gebraucht habe. Ich wünschte mir nur, ich hätte nicht versucht, mich in einen Zeitrahmen zu zwängen, um möglichst viel aus dem Tag heraus zu holen, denn dann wäre er für mich noch viel erholsamer gewesen.

Und was nehme ich nun aus dieser Erfahrung mit?

Fokus: Bei den vielen Dingen an die ich im Alltag denken muss und immer wieder organisiere, fällt es mir manchmal schwer, mich wirklich auf eine Sache zu fokussieren. Es sei denn ich habe wirklich Lust darauf. Prokrastination, next level. Um mich dann ganz auf eine Aufgabe konzentrieren zu können, benötigt es manchmal Abschottung, Kopfhörer, eine geschlossene Tür oder eben ein anspruchsvoller Trail, der kaum Zeit für schlechte Gedanken lässt!

Priorisierung: Die Entscheidung aufs Rad zu steigen und die Ausfahrt zu machen, war in vielerlei Hinsicht und trotz Arbeitsdruck richtig. Auch wenn die Zeit zum Arbeiten und Schreiben immer knapp ist, so kann ich diese doch gestückelt angehen und immer mal wieder einschieben. Eine Radtour derart habe ich jedoch Monate lang nicht machen können, weil ich nie so lange weg sein konnte. Das wird sich nun Stück für Stück ändern und für nächstes Jahr bin ich da sehr optimistisch 😊.

Genuss: Im Moment sein, sich wirklich darauf einlassen und die Gelegenheit, die sich geboten hat, nutzen und genießen ohne schlechtes Gewissen – das ist das Ziel für die nächste Radtour.

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3 Comments

  1. Liebe Jule,
    danke für die wunderschöne Tour.
    Bin sie am 12.11.2022 ab 07:00 Uhr von Erkner gefahren. Es war ein traumhafter Herbstmorgen in Brandenburg, und nur 15 Minuten mit dem RE 1 ab Ostkreuz von der großen Stadt entfernt.
    Viele Grüße,
    Jan

  2. Helmut Diebels Reply

    Ich lese die Berichte über deine Radtouren immer sehr gerne, weil ich dann auch mal mir völlig fremde Gegenden anschauen kann. Die Bilder beeindrucken und machen Lust auch wieder selbst zu fahren, was morgen auch bei mir am Niederrhein geschehen wird. Das Zeitproblem für eine Tour haben alle berufstätigen. Hat man Zeit, spielt das Wetter nicht mit, ist das Wetter gut muss irgendwas gemacht werden.

  3. Tolle Tour und ein schöner Bericht 🙂 Danke! Am Mönchswinkel Biwakplatz hab ich auf meiner Tour von Rostock nach Dresden diesen Sommer übernachtet … und vorher war ich natürlich auch bei Holly Kuchen essen … schön, wenn man bekannte Plätze so wieder erkennt 😀

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